Weihnachten ist nicht Retrospektive, sondern Perspektive – Predigt

Dr. Christoph BenkeÜber die Sehnsucht nach einem Weihnachten, wie es früher war, bzw. Weihnachten wie immer predigte Dr. Christoph Benke beim Hochfest der Geburt des Herrn am Christtag (25.12.) in Schönbrunn-Vorpark.


Unlängst ist mir während des Autofahrens ein Lied von Wolfgang Ambros begegnet. Es trägt den Titel Weihnachten wie immer …. Dort heißt es: I will doss echte Kerzen brennen, / doss echte Lieder gsungen werdn,/ wir Liebe geben, sovül ma kennen,/ und über Bethlehem an Stern./ I will mei Weihnachten wie immer, / wie’s immer wor – soll′s immer sein,/ i will den Glanz i will den Schimmer.

Mit dieser Sehnsucht nach einem Weihnachten, wie’s früher war‘ spricht ‚Wolferl‘ vielen Menschen aus der Seele. Es ist der Wunsch nach weniger Kommerz und Kitsch, nach weniger Keks und Glühwein, nach Reduktion, Innehalten und Besinnung. Weihnachten wie immer berührt etwas in unserem Innersten: die Sehnsucht nach einer heilen Welt, nach einem Ort, an dem Frieden und Lieben herrschen, nach einem Zustand der Geborgenheit und Harmonie. – Könnte es nicht sein, dass sich darin die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies ausspricht und, ja, die Sehnsucht nach der Gegenwart Gottes?

Von diesem Gott erzählt die Heilige Schrift, dass er die Liebe ist (1 Joh 4,16). Und die Heilige Schrift erzählt noch mehr: Diese Liebe ist jetzt unter uns Menschen Fleisch geworden. Sie ist Mensch geworden und wohnt unter uns (Joh 1,14), in dieser wunderbaren und zugleich völlig verrückten und fürchterlichen Welt.

Die Welt nimmt das kaum zur Kenntnis. Und doch ist aus Sicht des Glaubens alles anders geworden. Gott hat sich seiner Welt ausgeliefert und er nimmt sich nicht mehr zurück. Seither hat unser Leben einen Goldgrund, ja: Glanz und Schimmer.

Der Wunsch nach einem Weihnachten wie immer rührt wohl auch daher, dass das Vertrauen in die Zukunft mittlerweile eine geistige und geistliche Herausforderung ist. Die Welt ist in einem schlechten Zustand. Aber Hoffnung ist keine Frage des Temperaments, so als ob sich die Optimisten damit leichter täten. Hoffnung ist eine Frage des Willens und des Glaubens. Nur auf Weihnachten wie immer zu setzen ist ein sentimentales Retro. Christentum ist aber keine Retrospektive, sondern eine Perspektive. Seit Weihnachten, der Fleischwerdung des Wortes, hat sich Gott an diese Welt gebunden. Er nimmt diese Bindung, diesen Bund nicht mehr zurück und führt die Welt und die Menschen heim zu sich. Hoffnung ist also kein Wunschdenken, sondern eine gläubige Perspektive, ist Zuversicht aus dem Glauben. Sie lebt aus dem Staunen über das göttliche Kind.