Von der Liebe zur Kirche – von Kardinal Franz König
Die Kirche lieben – ja, kann man das überhaupt?
Man redet heute oft über die Kirche, aber man denkt dabei weit weniger an die Gemeinschaft des Glaubens und des Vertrauens auf Gottes Wort, als an eine Institution, die sich für die Armen einsetzen soll und die Maßstäbe für eine moralische Ordnung innerhalb der Gesellschaft verkündet. Verbunden damit ist zumeist viel – nicht immer unberechtigte – Kritik.
Der „liebe“ Gott, seine Liebe zu uns, bleibt bei einer solchen Vorstellung im Hintergrund – und der Mensch mit seinen Fehlern im Vordergrund. Ich meine, das ist ein sehr schiefes Bild von einer Kirche, die durch das Eingreifen Gottes in die Geschichte gebaut wurde.
Die Vorstellung von einer solchen Kirche, wie wir es heute oft in den Medien vorgesetzt bekommen, fordert viele zur Kritik heraus. Das beginnt beim Papst, setzt sich fort bei den Bischöfen, den Priestern, den Gruppeninteressen und Spannungen zwischen so genannten konservativen oder progressiven Christen.
Aber merkwürdig: Jeder Kritiker spricht nur über die anderen. Er fragt sich, so scheint es, nie selbst. Wie könnte ich es besser machen, was müsste ich ändern, um der guten Sache besser zu dienen?
Liebe zur Kirche bedeutet nicht: Liebe zu einem Gebäude oder zu einer nur menschlichen Institution. Liebe zur Kirche bedeutet vielmehr: Dankbarkeit, Geborgenheit, große Wertschätzung für alles, was Gott für jeden von uns getan hat.
Liebe zur Kirche bedeutet aber auch: Nachsicht und Verzeihen, Großmut für das viele menschliche Versagen in dieser Gesellschaft. Liebe zur Kirche bedeutet weiter: Gottes Plan und Weisung aufzunehmen und – trotz aller Schwierigkeiten – durch das eigenen Leben weiterzugeben.
Liebe zur Kirche heißt ganz einfach: Liebe zu Gott und Liebe zu den Menschen, innerhalt der Kirche – und auch außerhalb.
(Quelle in: Gedanken für ein erfülltes Leben. Styria Verlag, 2004)