„Liebe multiplizieren, indem man teilt“

Dr. Hans PockJesus setzt bei dem an, was da ist, was zur Verfügung steht. Auch wir sind dazu aufgerufen. Und dann geht es darum, dass wir Liebe multiplizieren, indem wir sie teilen. Denn Leben kann man nicht allein, sondern nur in Gemeinschaft. Das führte Dr. Johann Pock in seiner Predigt am 17. Sonntag im Jahreskreis (28. Juli 2024) in seiner Predigt ausgehend vom Wunder der Brotvermehrung in Schönbrunn-Vorpark aus.


“Gib uns unser tägliches Brot!“ – So beten wir jedes Mal im Vaterunser.  Man könnte sagen: Gib uns das, was uns am Leben erhält; das, was uns leben lässt.

Das heutige Evangelium erzählt davon, wie Jesus den Menschen Nahrung gibt: 5 Brote und 2 Fische reichen für alle. Ist das nicht ein Märchen? Science Fiction? Was ist dies für ein Wunder, das uns erzählt wird?

Mit dieser Brotvermehrungsszene sind wir bei einer der zentralen Stellen des Evangeliums. Schauen wir genauer hin: Zunächst sehen wir: Jesus hat Augen für das tägliche Brot, dafür, was die Menschen brauchen! (So wie schon im Evangelium des letzten Sonntags, wo es heißt: “Jesus hatte Mitleid mit den Menschen”.)  Und Jesus setzt bei dem an, was da ist, was zur Verfügung steht – auch wenn es wenig ist. Auch wenn es nur von einem kleinen Jungen kommt. Und obwohl so wenig: Jesus nimmt es, spricht Dankgebet – und teilt aus. Dies ist gewissermaßen die “typische Handbewegung Jesu” – das Brechen und Austeilen des Brotes. Es gehört wesentlich zu ihm – und später werden die Jünger ihn sogar an dieser Geste erkennen (so z.B. die Emmausjünger, nach der Auferstehung Jesu).

Was ist hier so besonders an dieser Stelle?

Zunächst ist es der große Glaube Jesu, dass es reichen wird! Dass es reichen wird, wenn man bei dem anfängt, was da ist, wenn man dafür dankt und zu teilen beginnt. “Er nahm die Brote, sprach das Dankgebet, teilte sie und gab sie ihnen.” – Das erinnert an die Worte der Messe; an die Worte im Abendmahlsaal. Und das ist kein Zufall: Denn alle diese Mähler Jesu mit den Menschen finden ihren Höhepunkt in der Feier des Abendmahls, in der Eucharistiefeier. Und umgekehrt erinnert jede Eucharistiefeier daran, dass Jesus mit allen Menschen das Brot, das Leben, die Liebe teilen möchte.

Nun könnte man aber weiterfragen: Wenn Jesus aus so wenig Brot so viel machen kann – könnte er dann nicht alle Menschen satt machen? – Dies war sofort damals der Wunsch: der Wunsch nach starkem Mann. “Wir wollen ihn zum König machen!” – Jesus lehnt es ab. Wie er es schon bei den Versuchungen nach dem Beginn seiner öffentlichen Tätigkeit getan hat, als der „Diabolos“, der Versucher, zu ihm meint: Warum machst du nicht aus Steinen Brot – dann würden dir alle folgen … Es fällt schwer, dies zu akzeptieren: Dass der allmächtige Gott nicht den starken Mann spielt; dass er nicht allen Hunger beseitigt; nicht alle Arbeitslosigkeit beseitigt; nicht alle Kranken heilt.

Doch der Weg Jesu ist nicht einer, der Menschen durch Zauberei auf seine Seite zieht. Der Weg Jesu nimmt uns dies alles nicht ab. Der Weg Jesu heißt nämlich: Anfangen mit dem, was da ist! Gott nimmt uns unser Leben, unsere Sorgen nicht ab. – Und er lässt uns den Hunger, der letztlich ein Hunger nach Gott sein soll. Aber er zeigt uns Wege, wie wir selbst etwas zur Verbesserung des Lebens beitragen können: Durch Hinschauen auf das Positive, auf das, was da ist; und durch das Teilen dessen, was wir haben und bekommen.

An dem kommenden Sonntag wird im Evangelium dann die Brotrede Jesu gelesen. Dort sagt er: “Ich selbst bin das Brot des Lebens.” – Dieses Brot, das Jesus hier austeilt, ist letztlich er selbst. Jesus gibt sich an die Menschen weiter – und alle werden satt! Es ist dies ein Zeichen für die Eucharistie. Wir alle sind eingeladen, vom Brot des Lebens, vom eucharistischen Brot, zu essen – und es geht dabei nicht darum, meinen leiblichen Hunger zu stillen, sondern das Bedürfnis meines Herzens nach Liebe, Geborgenheit; Angenommensein;

Wenn wir in Dankbarkeit die Dinge genießen, die wir haben, dann werden sie uns nicht ausgehen. Es gibt das schöne Wort: “Liebe kann man nur multiplizieren, indem man sie teilt“ – genau darum geht es im Evangelium: Jesus gibt aus Liebe zu den Menschen; er vermittelt ihnen diese Liebe von Gott her – und darum werden die Menschen auch satt.

Das heutige Evangelium will provozieren, damit wir uns der Frage stellen: Wovon lebe ich eigentlich? Was lässt mich wirklich leben? Denn dass wirklich ein paar Brote und Fische so viele Menschen ernähren, ist ja sehr unwahrscheinlich. Und vielleicht lautet die Antwort: Wir leben von der Liebe zueinander; wir leben von Gottes Wort; wir leben von Zuwendung und Hilfe; wir leben in der Solidarität miteinander.

Damit wird aber auch deutlich: Leben kann man nicht allein, sondern nur in Gemeinschaft. Und wenn wir Gott Teil dieser Gemeinschaft sein lassen, können vielleicht 5 Brote und 2 Fische eine ganze Gemeinschaft leben lassen.

Johann Pock

Polarisierung

Dr. Christoph BenkeIn unserer Welt sehen wir viele Gegensätze, Polarisierungen, Feindschaften. Christus hat die Feindschaft getötet. Das ist auch unser Auftrag als Christen. Wie das gehen könnte, darüber predigte Dr. Christoph Benke am 15. Sonntag im Jahreskreis  (21. Juli 2024) in Schönbrunn-Vorpark.


Es gibt einen Nordpol und einen Südpol, einen Pluspol und einen Minuspol. Sie gehören irgendwie zusammen, stehen aber doch einander gegenüber. So ähnlich ist es in jeder kleineren und größeren Gemeinschaft und global. Auch da stehen Parteien einander gegenüber: der reiche Norden und der arme Süden, Linke und Rechte, Veganer und Fleischesser, Rapidanhänger und Austrianer, und so weiter. Seit einigen Jahren ist das Gesprächsklima aggressiver geworden. Das läuft unter dem Stichwort Polarisierung.

Einige Gegensätze gehören zum Leben. Doch gelegentlich sind sie von Menschen gemacht und es werden Feindschaften daraus. Für diesen Fall hat Paulus im Epheserbrief eine deutliche Erinnerung bereit: Christus ist unser Friede. Er vereinigte die beiden Teile und riss die trennende Wand der Feindschaft in seinem Fleisch nieder. (Eph 2,14) Worum es Paulus geht, ist die Versöhnung von Juden und Heiden in Christus. Wir dürfen es auf Versöhnung insgesamt hin verstehen. Wo sich also Menschen unversöhnt und feindlich gegenüberstehen, dort ist Christus die Brücke, die Verbindung, die Versöhnung.

Etwas später sagt Paulus: Er (Christus) hat in seiner Person die Feindschaft getötet. (V 16) Welch hoher Anspruch! Denn das bedeutet: Nach Christus dürfte es für uns, die wir an diesen Christus und seinen Versöhnungsdienst glauben, keine unüberwindbaren Trennlinien, keine Feindschaft mehr geben. Die Polarisierung, den Keil noch tiefer hineintreiben, kann und darf nicht unsere Sache sein. Auch wenn wir keineswegs die Meinung oder den Lebensstil des Anderen teilen: Er oder sie ist nicht mein Feind. Wo immer mir also irgendetwas am Gegenüber überhaupt nicht gefällt und ‚mir das Geimpfte aufgeht‘, dort ist ein schnelles Stoßgebet vonnöten: ‚Herr, entwaffne mich!‘ Denn es gilt: Er, Christus, hat in seiner Person die Feindschaft getötet.

Christoph Benke

Ja-Sagen zu unserer Bestimmung

Dr. Christoph BenkeÜber uns waltet nicht ein blindes Schicksal, sondern Gott will, dass wir zu ihm gelangen. Wir sind eingeladen, dazu Ja zu sagen. Das führte Dr. Christoph Benke in seiner Predigt in Schönbrunn-Vorpark am 15. Sonntag im Jahreskreis  (14. Juli 2024) aus.


Glauben Sie an das Schicksal? An ihr persönliches Schicksal? Also dass eine höhere Macht über den Menschen etwas verhängt, das dieser aber nicht beeinflussen oder gar berechnen kann? Häufig sprechen wir ja von einem traurigen oder tragischen Schicksal. Von daher hat dieses Wort etwas Bedrohliches. Die Frage bleibt: Ist unser Lebenslauf vorherbestimmt?

Die Lesung aus dem Epheserbrief kann uns dabei weiterhelfen. Paulus spricht dort sogar von Bestimmung und Vorherbestimmung. Der Abschnitt ist ein großes Lobgebet. Der Hymnus beginnt so: Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Diejenigen, die an diesen Gott glauben und ihm ihr Leben anvertrauen, haben eine Bestimmung: Er hat uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und zu ihm zu gelangen […], zum Lob seiner herrlichen Gnade.

Unsere Bestimmung ist, an der Hand und an der Seite Jesu, ganz in die Nähe Gottes zu finden, sich sogar wie Jesus als Sohn Gottes, als Tochter Gottes zu verstehen. Wir sollen zu ihm gelangen. Der Weg in die Vertrautheit, in die innige Nähe zu Gott-Vater ist Jesus Christus. Kein namenloses, kaltes Schicksal verfügt da etwas. Unsere Bestimmung kommt vielmehr aus der Liebe, sie gründet in der Liebe des Vaters.

Wo wir unsere Bestimmung bejahen – ein anderes Wort für loben –, wird es gut zwischen Gott und uns und zwischen uns Menschen. Ja-Sagen zu dieser unserer Bestimmung, das ist Gott loben. Deshalb heißt es am Ende des Hymnus noch einmal: Wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt (V 12).

Das wäre es, was der himmlische Vater für uns vorsieht. Er wartet geduldig auf unsere freie Zustimmung – zu unserer Bestimmung.

Christoph Benke

Gott will “g´standene Leut”

Dr. Christoph BenkeGott will, dass wir uns auf unsere Füße stellen, wenn wir mit ihm reden, nicht, dass wir vor ihm am Boden liegen; uns als solche sollen wir sein Werk fortführen. Das führte Dr. Christoph Benke in seiner Predigt in Schönbrunn-Vorpark am 14. Sonntag im Jahreskreis, dem 7. Juli 2024, aus.


Wieder stehen und gehen lernen – das kann einem nach einer kraftraubenden Krankheit oder einem Unfall ins Haus stehen. Mühsam, Schritt für Schritt – aber zuallererst: aus dem Bett auf die Beine kommen. Sich auf die Füße stellen und guten Stand finden, so lautet das Primärziel. Und umgangssprachlich meint ja „sich auf die Füße stellen“: sich behaupten, jemandem endlich Widerstand entgegensetzen.

Ist uns klar, dass das – nämlich: sich auf die Füße stellen – Gottes Wille ist? Hören wir den Beginn der Lesung. Da heißt es: Das war das Aussehen der Gestalt der Herrlichkeit des HERRN. Und ich schaute und ich fiel nieder auf mein Angesicht. Da hörte ich die Stimme eines Redenden. Er sagte zu mir: Menschensohn, stell dich auf deine Füße; ich will mit dir reden. (Ez 28,1-2) Der Prophet schaut die Herrlichkeit des Herrn, die Größe Gottes. Dieser Anblick ist zu viel. Überwältigt fällt er auf sein Angesicht.

Aber dabei bleibt es nicht. Ezechiel hört: Menschensohn, stell dich auf deine Füße. Es gilt also: Gott will, dass ich mich auf meine Füße stelle. Er hilft aufzustehen. Er hilft uns, wieder aufzustehen, auch wenn es schwer ist und wir wenig Zuversicht haben. Er will, dass wir auf eigenen Beinen stehen, also mit Selbstvertrauen und Selbstgewissheit festen Stand im Leben haben.

Und das alles, weil er mit uns, mit mir reden will. Bleiben wir in Bauchlage, zeigen wir dem Herrn nicht unser Gesicht, dann kann er nicht mit uns reden. Gott ist Gott, der Mensch ist Geschöpf und abhängig. Aber Gott will keine Unterwerfung aus Angst, sondern eine freie, liebevolle „Blickverbindung“ – von „unten“ nach „oben“.

Gott will „g’standene Leut‘“. Als solche will er uns brauchen, sein Werk fortzuführen. Deshalb heißt es gleich nachher: Menschensohn, ich sende dich (V 3).

Christoph Benke

Heil – Heilung – Heiland

Arthur SchwaigerÜber Erzählungen, in denen der Evangelist Markus über Heilungen berichtet, und die Frage, was das für uns als Gemeinde bedeutet, predigte Diakon Mag. Arthur Schwaiger

am 13. Sonntag im Jahreskreis (30. Juni 2024) in Schönbrunn-Vorpark.


Der große deutsche Theologe Eugen Biser (1918-2014) hat immer wieder betont, dass das Christentum eine therapeutische Religion ist. Es geht in unserem christlichen Glauben um Heil, Heilung, Heil- Sein…..                       Nicht umsonst heißt es in zwei alten Kirchenliedern:

  1. Christus, der Heiland, stieg zu uns hernieder…
  2. Der Heiland ist erstanden…

Im heutigen Evangelium erzählt der begnadete Erzähler Markus zwei Heilungserzählungen und macht uns als Hörende aufmerksam auf die Wichtigkeit des erzählten Glaubens, der ganz anders ist als Belehrung und Moralisieren.

Die beiden Erzählungen, die miteinander und ineinander verzahnt sind – die Zahl 12, Heilung durch Berührung, Anrede als Tochter, der Heilungswunsch in der großen Öffentlichkeit, die Heilung selber im kleinen Kreis…- erzählen von Frauen, die aus massiver Not zu neuem Leben in seelischer und körperlicher Integrität finden, gerettet durch tiefen Glauben und die heilende Kraft Gottes. Diese Erzählungen zeichnen ein Hoffnungsbild, das Frauen in Israel über alte Lebensübergänge hinweg als freie Töchter Gottes zeigt, frei von Beeinträchtigungen und Einschränkungen jeglicher Art.

Dieses Evangelium stellt an uns als Gemeinde Fragen:

  1. Sind wir eine heilend-heilsame Gemeinde?
  2. Sind wir eine berührbare und anrührbare Gemeinde?
  3. Welche Beziehung haben wir zu den Sakramenten der Heilung?
  4. Haben wir bei der Praxis dieser beiden Sakramente den Mut, verschüttete Traditionen wieder aufzugreifen? –  Vgl. H.Wolf – Krypta – Ich denke dabei an die urkirchliche Praxis bei der Krankensalbung – nur das Öl musste vom Bischof gesegnet sein – oder an die Traditionen der Beichtmütter und der Laienbeichte!

Dieses Evangelium kann uns Mut machen, radikal auf den Glauben zu setzen nach dem Beispiel des Jairus und der blutflüssigen Frau. Sie sind dieses Risiko eingegangen!

Denn: Wer glaubt, braucht keine Wunder! Wer nicht glaubt, dem helfen keine Wunder!

Arthur Schwaiger

Engagierte Gelassenheit

Dr. Christoph BenkeDass es notwendig ist, sich für etwas zu engagieren, und andererseits sich auf das Tun der anderen und des Heiligen Geistes zu verlassen, zeigte Dr. Christoph Benke in seiner Predigt in Schönbrunn Vorpark am 16. Juni 2024, dem 11. Sonntag im Jahreskreis, auf.


Wer sich heutzutage für ein bestimmtes Anliegen engagiert einsetzt, gilt als Aktivist. Es gibt Umweltaktivisten, Tierschutzaktivisten, Menschenrechtsaktivisten. Es sind Personen, die mit Taten Ziele fördern. Sie bemerken einen Missstand und sagen „Man muss doch etwas tun“, und zwar ohne politisches Amt oder Mitarbeit in einer Partei.

Die anderen, die dabei nicht mittun, müssen deswegen nicht bequem oder gleichgültig sein. Das heißt nicht, dass ihnen die Anliegen egal sind.

Der Gedanke oder der Impuls „Man muss doch etwas tun“, so wichtig und richtig er ist, schafft ein Gewicht und macht Druck. Das ist erwünscht. Aber damit der Druckkochtopf nach einiger Zeit nicht explodiert, braucht es den Druckausgleich. Der Druckausgleich, das Gegengewicht, ist ein wenig versteckt. Es ist dieses Jesus-Wort: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mann Samen auf seinen Acker sät; dann schläft er und steht wieder auf, es wird Nacht und wird Tag, der Samen keimt und wächst und der Mann weiß nicht, wie. Die Erde bringt von selbst ihre Frucht. (VV 26-28)

Es gilt beides: Ja, „man muss doch etwas tun“ auf der einen Seite. Und Gelassenheit und Vertrauen, dass die Erde von selbst ihre Frucht bringt, auf der anderen Seite. Diese Welt ist in Gottes Hand. Das ist unser Glaube. Ich bin, du bist, wir sind in Gottes Hand – das ist unser Glaube. Ich tue, was ich kann – und das Übrige überlasse ich den anderen und dem vielfältigen Wirken des Heiligen Geistes. Er aktiviert auch Selbstheilungskräfte.

Engagierte Gelassenheit – das wäre es, um an die großen Aufgaben heranzugehen. Um diese engagierte Gelassenheit zu lernen, müssten wir gelegentlich den Herrgott einen guten Mann sein lassen – im eigentlichen Sinn des Wortes.

Christoph Benke

Von der Schuldfrage bis zur Überwindung von Grenzen: Biblische Spannungsbögen

Dr. Hans PockUniv. Prof. Dr. Johann Pock hat sich in seiner Predigt am 9. Juni 2024, dem 10. Sonntag im Jahreskreis, in Schönbrunn Vorpark mit der Schuldfrage (ausgehend vom Bild vom verlorenen Paradies) und dem Sprengen von Grenzen (konkret der Familie Jesu) auseinandergesetzt und dazu ermutigt, mit Gott Grenzen zu überwinden.


Die heutigen Schriftstellen machen es mir als Prediger nicht einfach. So vieles daran ist nicht nett oder aufbauend. Heute werden uns Bibelstellen zugemutet, die uns konfrontieren:

  • Wer ist schuld? (1. Lesung aus Genesis 3)

Da ist zunächst die Erzählung von der Erbsünde, von der „Ursünde“. Wer kennt es nicht, das Bild vom verlorenen Paradies: Eva, die dem Adam den Apfel reicht; die Schlange, die den beiden einredet, sie sollen gegen Gottes Gebot verstoßen. Und wer war letztlich schuld? Er? Sie? Die Schlange? Oder gar Gott, weil er so ein blödes Gebot aufgestellt hat?

Mit dieser Bibelstelle sind wir in ein uraltes Drama hineingenommen. Es ist gewissermaßen eine Inszenierung menschlichen Verhaltens: Es geht ja ständig darum, das eigene Verhalten und die eigene Situation zu entschuldigen – irgendwer muss schuld sein, nur nicht ich. – Wenn man sich die Szene genau durchliest, muss man fast schmunzeln, mit welcher psychologischen Einfühlung der Autor hier vorging.

Und doch: Es ist eine Erzählung, die etwas verdeutlichen will: Obwohl Gott die Welt und den Menschen gut geschaffen hat, gibt es das Böse; es gibt Tod, Krankheit, Leid und Ungerechtigkeit. Doch Gott hat diese negativen Seiten nicht geschaffen (Es heißt ja ständig: „er sah, dass es gut war …). Vielmehr sind sie die Frucht der Freiheit des Menschen. Gott hat den Menschen, er hat einen jeden von uns, als sein Ebenbild geschaffen – so heißt es ein Kapitel vorher. Wir sind also nicht Marionetten an einer Schnur, sondern freie Personen, mit einem eigenen Willen – und mit einer eigenen Verantwortung.

Die Erzählung vom Verlust des Paradieses will sagen: Es ist eine Frage des Umgangs mit unserer Freiheit, ob wir das Gute oder das Böse tun; ob wir uns entfernen von Gottes Willen.

Und wir können unterscheiden zwischen Gut und Böse, zwischen richtig und falsch – auch das ist hier gesagt: Und damit bin ich als Mensch selbst in die Verantwortung genommen, mein Leben zu gestalten – und ich kann mich auf niemand anderen ausreden: Weder auf die Umstände noch auf die anderen noch auf Gott.

  • Jesus sprengt Grenzen (Evang. Mk 3,20-35)

Die zweite Stelle ist das Evangelium. Und hier zeigt sich uns ein Jesus, den die Leute beschreiben mit: „Er ist von Sinnen!“ Anscheinend hat er anders gehandelt als erwartet – und zwar, anders als seine es Familie erwartet hatte. Seine Familie will ihn holen. Die Gründe werden nicht genauer genannt; aber man kann es sich vorstellen: Er hat seinen Beruf daheim aufgegeben; er zieht mit einigen Fischern und Freunden durch die Gegend – und er zieht den Zorn von Römern und der jüdischen Obrigkeit auf sich. Er gibt sich mit Gesindel ab – d.h. er bringt die eigene Familie in Verruf.

Und wie reagiert Jesus? Er kommt nicht zur Vernunft, ganz im Gegenteil: „Wer ist meine Familie?“, fragt er – und fügt hinzu: Ihr alle seid meine Familie, wenn ihr den Willen des Vaters tut.

Nicht mehr die Familie, in die er hineingeboren ist, zählt für ihn, sondern die Familie in einem geistlichen Sinn.

Was muss damals in Maria vorgegangen sein? Oder in seinen anderen Angehörigen?

Was Jesus damit sagen will, ist: Es gibt etwas, was die Blutsverwandtschaft, die gerade für Völker im Nahen Osten so wichtig war und ist, übersteigt: Es gibt eine Verwandtschaft aufgrund der gemeinsamen Berufung durch Gott.

Und erst damit wurde es möglich, dass seine Lehre nicht nur eine kleine Sekte geblieben ist. Damit war es möglich, dass die Apostel die Grenzen Judäas überschritten haben und bis nach Athen und Rom gekommen sind, um das Christentum zu verkünden. Und dass diese Botschaft nun schon 2000 Jahre überdauert hat.

Das Christentum ist eine Botschaft, die Grenzen sprengen möchte: Die Grenzen zwischen den Völkern, zwischen Arm und Reich, zwischen Juden und Griechen, zwischen Ungläubigen und Gläubigen …

  • Ermutigungen: Mit Gott Grenzen überwinden

Zwei schwierige Bibelstellen, die zum Nachdenken anregen können: Über die eigene Freiheit des Handelns – und die Verantwortung; über Gutes und Böses im eigenen Leben.

Und darüber, ob der eigene Glaube, ob mein christlicher Glaube, für mich eher eine Grenze ist; ein Schutzwall gegen außen. Oder ob er manchmal auch ein Sprungbrett sein kann: Um die eigenen Ängste zu überwinden; um andere an mein Herz heranzulassen; um (wie es in einem Psalm so schön heißt) vielleicht mit meinem Gott sogar Mauern zu überspringen (Ps 18,30).

Johann Pock

Wo ist der Raum?

Dr. Christoph BenkeDie Frage nach dem Raum stellte Dr. Christoph Benke ins Zentrum seiner Predigt zu Fronleichnam (30.05.2024) in Schönbrunn Vorpark; den Raum für das Abendmahl und das Pfingstereignis, aber auch den Raum, den Jesus bei uns findet.


Alle Menschen brauchen Platz: einen Platz zum Leben, zum Wohnen, zur Erholung – Raum, um sich zu entfalten. 102 m2, so war gestern zu lesen, beträgt die durchschnittliche Wohnungsgröße in Österreich. Beengter Lebensraum führt in Konflikte – das gilt ja auch global.

Jesus und seine Anhänger hatten zuerst keinen festen Wohnsitz. Sie zogen durch die Lande und erhielten Unterkunft bei Sympathisanten. Nach der Katastrophe, als sich die Einsicht einstellte: Unser Herr lebt!, drängte sich eine Raumfrage auf: Wo kommen die versprengten Anhänger Jesu zusammen? Es ist nicht der Tempel, sondern das Obergemach – ein großer Raum im Obergeschoß eines Hauses in Jerusalem.

Das Obergemach: Hier versammelt sich die Urgemeinde zum Gebet. Hier trägt sich die Gabe des Heiligen Geistes zu. Und davon spricht – in einer Art Rückblende – das Evangelium des Tages: Der Meister lässt dich fragen: Wo ist der Raum, in dem ich mit meinen Jüngern das Paschalamm essen kann? (V 14)

Wir wollen diese schlichte Beobachtung in zwei Richtungen ausrollen. Zum einen: Der Abendmahlsaal und der Raum des Pfingstereignisses sind ein und derselbe Raum. Der Heilige Geist und die Messe gehören zusammen. Denken wir an die Bitte vor der Wandlung. Und denken wir an die andere Bitte im großen Lobgebet: Schenke uns Anteil an Christi Leib und Blut und lass uns eins werden durch den Heiligen Geist. Gestärkt durch das Brot des Lebens und geführt durch den Heiligen Geist, finden wir zusammen.

Zum anderen gibt es weiterhin die Jesusfrage, Wo ist der Raum?  Stellen wir uns vor, dass Jesus diese Frage auch heute stellt, jetzt, an uns gerichtet. Jesus will Gemeinschaft mit den Menschen haben – aber wo und wie kann er seinen Sehnsuchtswunsch erfüllen? Wo geben wir, wo bieten wir Jesus Raum?

Später gehen wir hinaus auf die Straße. Das ist ein öffentlicher Raum. Wir bringen diesen Raum mit Christus in Berührung, flüchtig und punktuell; keineswegs schon für das Festmahl hergerichtet und mit Polstern ausgestattet (V 15). Aber es ist eine wichtige Erinnerung auch für uns. Jesus Christus will darauf angewiesen bleiben, durch uns einen Platz in dieser Welt zu finden. Er sagt: ‚Das ist mein Leib, das ist mein Blut. Das bin ich – für Euch. Kommt alle zu mir.

Christoph Benke

Die Fülle des Pfingstmontags

Arthur SchwaigerÜber die verschiedenen Dimensionen des Pfingstmontags (20. Mai 2024) dachte Diakon Arthur Schwaiger an diesem Tag in Schönbrunn-Vorpark nach.


Doppelt hält besser!
Repetitio est mater studiorum!

Das sind zwei Sprichwörter, die auf die Hochfeste Weihnachten/Ostern/Pfingsten zutreffen. Denn diese Hochfeste werden doppelt gefeiert!

→ Weihnachten: “Und das Wort ist Fleisch geworden …” am 25.12./das Zeugnis des Stephanus am 26.12.
→ Ostern: Das leere Grab und das Zeugnis der Maria von Magdala – der Apostelin der Apostel – am Ostersonntag/die Emmaus-Jünger am Ostermontag
→ Pfingsten: Das Sprachenwunder am Pfingstsonntag/die junge Kirche und das Wirken des Geistes am Pfingstmontag

Es ist schon merkwürdig, dass am Pfingstmontag im Stundengebet der Kirche wieder der Jahreskreis gebetet wird, dass die liturgische Farbe Rot ist und dass seit 2018 der Pfingstmontag auch den Beinamen Gedenktag Maria, Mutter der Kirche trägt – von Papst Franziskus eingeführt.

Wie ist das zu verstehen?

→ Das Grün des Jahreskreises weist uns darauf hin, dass wir die Botschaften der Hochfeste mitnehmen in den liturgischen Alltag.
→ Die Farbe Rot erinnert uns an die Feuerzungen und an das Blut der Märtyrer. Es ist immer wichtig, um den Geist und seine Gaben zu beten, um die Botschaft Jesu zu bezeugen.

Maria als Mutter und Urbild der um den Hl. Geist betenden Kirche, die …

  • offen ist für Gott und die Welt
  • Glaube und Vernunft verbindet
  • bereit ist zu sterben, um in einer verwandelten Form neu geboren zu werden
  • das Evangelium inkulturiert in die konkrete Zeit und Gesellschaft
  • sich nicht billig anpasst, sondern Salz und keine Salzsäule ist
  • eine Mystik der offenen Augen lebt: Spiritualität und der Gang an die Ränder gehören zusammen

Ich breche jetzt ab!

Amen.
Arthur Schwaiger

 

Jeder hörte sie in seiner Sprache reden

Dr. Christoph BenkePfingsten ist Sprachförderung; der Heilige Geist macht mit uns einen Sprachkurs, damit wir einander und ihn verstehen können. Darauf machte Dr. Christoph Benke in seiner Predigt am Pfingstsonntag (19.05.2024) in Schönbrunn-Vorpark aufmerksam.


Not begegnet uns täglich. Sie hat viele Gesichter: Es gibt physische, wirtschaftliche, seelische Not. Not hat so viele Gesichter wie es Menschen gibt – es gibt auch höchstpersönliche Nöte. Eine ist die Sprachnot: ein tief inneres Leiden daran, sich nicht richtig ausdrücken, das Innere nicht in Worte fassen zu können. Die Folge ist das Gefühl, nicht verstanden zu werden – also Einsamkeit. Wer sich schon einmal helfen ließ, um etwas in der eigenen Seele noch nicht Greifbares ins Wort zu bringen, weiß, wie befreiend das ist.

Pfingsten ist Sprachförderung. Der Heilige Geist, ein Vermittler, er macht mit uns einen Sprachkurs. Eben hörten wir die Schilderung des Pfingstereignisses. Darin spielen die Zungen eine wichtige Rolle: Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. (V 3). In den Sprachen der Bibel (Hebräisch und Griechisch) ist Zunge und Sprache das gleiche Wort. Die Feuerzungen bringen die Jüngerinnen und Jünger dazu, selbst in anderen Zungen zu reden: Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. (V 4) Das Feuer des Geistes wird in Sprache übersetzt – und zwar so, dass die Hörenden das ihnen verkündete, Neue als ihre eigene Sprache erkennen können (jeder hörte sie in seiner Sprache reden, V 6).

Das bedeutet 1. nach außen: Der Heilige Geist hilft, dass wir einander verstehen lernen und auch verstehen können, durch diverse Barrieren hindurch. Das bedeutet 2. nach innen: Der Geist Gottes wird geschenkt, und zwar gemeinsam. Aber dabei passt er sich jedem Menschen an. Der Heilige Geist schmiegt sich an die Seelenlandschaft eines Menschen an. Wir können den Heiligen Geist wahrnehmen. Er spricht keine Fremdsprache. Er ist vernehmbar – und darin besteht die frohe Botschaft des heutigen Festes.

Christoph Benke