Am-Boden-Liegen

Dr. Nikolaus KrasaImmer wieder sind wir am Boden, liegen regungslos am Boden. Der Karfreitag zeigt uns, dass uns dieser Boden aber hält, dass wir gehalten sind, und dass dieses „Am-Boden-Liegen“ schon die Ansätze des Aufstehens, der ‚Auferstehung‘, beinhaltet.

Diesen Weg zur Verehrung des besonderen Kreuzes in der Kirche von Schönbrunn-Vorpark zeigte Generalvikar Dr. Nikolaus Krasa in seiner Predigt am Karfreitag auf.


Schade, dass Sie das Zeichen am Beginn des Gottesdienstes nicht mitmachen können (schlicht aus Platzgründen) – aber vielleicht haben Sie die Möglichkeit, es zu Hause nachzuholen. Immerhin ist es eine Gebetshaltung, in der manche Heilige gebetet haben sollen. Und: Jahr für Jahr beginnt der Karfreitagsgottesdienst so. Der Priester darf (und ich sage das hier bewusst) tun, was alle anderen nur durch ein Niederknien ausdrücken. Er darf am Boden sein. 

Am Boden sein, diese Metapher aus unserem alltäglichen Sprachgebrauch erfasst wohl am besten, worum es bei diesem Ritus am Beginn des Karfreitags geht. Einmal vordergründig um das Am-Boden-Sein, vielleicht müsste man ergänzen, Am-Boden-zerstört-Sein Jesu. Denn so werden wir ihn am Ende der heutigen Liturgie verlassen, tot, am Boden liegend im Grab des Joseph von Arimathäa. Am Boden sein – das ist einmal der Ausblick auf das Ende unseres Lebensweges. Auch wir werden einmal tot auf dem Boden (oder besser im Boden) liegen. Als Leichnam oder als Asche, egal.

Aber: Wenn wir vom „Am-Boden-Sein“ reden, fallen uns vermutlich auch Momente, Ereignisse in unserem Leben ein (also noch vor dem Tod). Zeiten von Misserfolgen, Zeiten des Scheiterns, größere und kleinere Katastrophen im Freundes- oder Familienkreis, wirtschaftlich schwierige Zeiten, gesundheitliche Krisen. Zeiten von undefinierter Angst. Es gibt schon vor dem Tod und wohl immer wieder Momente im Leben, in denen einem die Kräfte, die Fähigkeiten zu gestalten, etwas aktiv zu tun, so abhandenkommen, dass man wie regungslos am Boden liegt. 

Ich will Ihnen damit keine Angst machen, Sie auch nicht in die Depression treiben. Ganz im Gegenteil. Denn die Erfahrung, die dieses Zeichen vermittelt, ist eine größere (und damit auch die Erfahrung, um die es in dieser Karfreitagsliturgie geht). Erinnern wir uns an die Stille nach der Passion am Palmsonntag. Eigentlich geht es ja am Palmsonntag nur um die ganz einfache Frage „Willst du mit ihm mitgehen?“ Und, das haben wir gestern versucht zu betrachten: Was passiert denn, wenn du dich auf ihn einlässt? Sie erinnern sich an gestern: Es geht um Verwandlung.

Aber zurück zum Zeichen: Was vermittelt das „Am-Boden-Liegen“ anderes als „Ich bin am Boden“? Ich denke etwas ganz Einfaches, eigentlich Selbstverständliches; so selbstverständlich, dass man es leicht übersieht: Ich würde es so formulieren: Der Boden trägt mich. Oder: Ich bin zwar am Boden, aber ich falle nicht weiter. Da ist ein fester Boden, der mich auffängt und hält und trägt. Ich falle nicht ins Bodenlose. Mir fallen die Worte des großen Rainer Maria Rilke ein, der in seinem Herbstgedicht über fallende Blätter sinniert: „Und doch ist einer da, der dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält“. 

Bilde ich mir das nur ein? Versuche ich hier etwas schön zu reden. Ich denke nicht. Denn damit sind wir bei den entscheidenden Worten der Johannespassion, auf die uns das gestrige Evangelium bereits eingestimmt hat. εἰδὼς ὅτι πάντα ἔδωκεν αὐτῷ ὁ πατὴρ εἰς τὰς χεῖρας καὶ ὅτι ἀπὸ θεοῦ ἐξῆλθεν καὶ πρὸς τὸν θεὸν ὑπάγει – so hat Johannes gestern die Haltung Jesu knapp vor der Fußwaschung geschildert. Worte, die in der Schilderung des Johannes knapp vor dem Tod Jesu nochmals anklingen: Jesus gibt seinen Geist auf, weil er weiß, dass er zu Gott zurückkehrt. Weil er weiß, dass Gott sein Fallen in den Tod unendlich sanft in seinen Händen hält. Und deshalb nicht: „Es ist aus.“, sondern: „Es ist vollbracht.“, oder, könnte man übersetzen: „“Es ist vollendet.“ τετέλεσται – da steckt das Wort Ziel drinnen: „Das Ziel ist erreicht.“

Der Tod wird zum Ziel, weil er jene Verwandlung, die in der Taufe begonnen hat, die ich in jeder Eucharistiefeier nähre, ins Ziel bringt, nämlich Christ, ein Christus zu werden. Jeder kleine Tod, jede Krise, jedes Am-Boden-Sein kann zu einem Moment werden, in dem ich ein Stück mehr in Christus verwandelt werde. Und deshalb endet die Liturgie des heutigen Tages nicht damit, dass wir am Boden liegen, sondern damit, dass wir aufstehen, auferstehen und als Stehende vor unseren Gott treten. So gesehen gehört das Aufstehen zu diesem Zeichen dazu. Im „Am-Boden-Sein“ werden wir zu Auferstandenen verwandelt, wieder und wieder in unserem Leben. 

Das Zeichen des getragen und aufgerichtet am Boden Liegens setzt sich in der Liturgie fort: Deshalb werden wir auch wenig später vor unser leuchtendes Kreuz treten, das in seiner ganz besonderen Art (darüber haben wir vergangenes Jahr nachgedacht) dieses „Es ist vollbracht“ Jesu am Kreuz ausdrückt, dass mit seinem Tod schon die Vollendung durch die Auferstehung beginnt. Und dort nicht am Boden liegen bleiben, nicht in hysterisches Heulen ausbrechen, sondern Blumen als Zeichen des Lebens hinterlassen, das Kreuz verehren, vielleicht auch niederknien.  Und danach aufstehen. 

Deshalb macht es Sinn, dem König Jesus zu folgen. Weil er uns verwandelt und auch die dunkelsten Stunden unseres Lebens zu Orten des Lebens macht. 

Generalvikar Nikolaus Krasa

Ostergeheimnis prägt unser ganzes Leben!

Dr. Nikolaus KrasaWir sind mit Christus, dem anderen König, unterwegs; unsere Aufgabe als Christen ist es, uns an ihm zu orientieren. Es geht darum, uns von ihm verwandeln zu lassen, „damit das Ostergeheimnis unser ganzes Leben prägt.“

Das legte Generalvikar Dr. Nikolaus Krasa in seiner Predigt zu Joh 13, 1-15 den die Liturgie des Gründonnerstags Mitfeiernden in der Gemeinde Schönbrunn-Vorpark dar; er baute in seiner Predigt auch die Brücke vom Palmsonntag bis zur Osterzeit.

 


Sie steht noch da, die Krone, die unsere Kinder vor wenigen Tagen in die Kirche hereingetragen und anschließend bei ihrer Kinderpassion mit einzelnen Ereignissen aus der Passion beklebt haben. Diesem König sind wir zunächst bei seinem Einzug nach Jerusalem begegnet, haben das Hosianna gehört, das die Menschen ihrem König Jesus gesungen haben, dem Nachfahren Davids, dem sie so viel zugetraut haben. Wir haben dann gehört, wie er einzieht, dass er sich ein Bild aus dem Buch des Propheten Sacharia ausgeborgt hat, um zu zeigen, wie er sein Königtum anlegen möchte. Auf einem Esel zieht er, der demütige König aus dem Hause Davids nach Jerusalem ein …

Und vielleicht erinnern Sie sich noch an die Stille, die im Raum war, als die Passion Jesu verklungen war. Stille, weil wir vielleicht instinktiv gespürt haben, da gibt es nicht mehr viel zu sagen. Die großen Fragen des Palmsonntags sind nicht: Hat Jesus alles richtig gemacht? Oder: Wie war das damals? Oder: Was können wir daraus für uns lernen? Die einzige Frage ist: Sind wir bereit mitzugehen?

Warum ich uns an den Palmsonntag erinnere? Weil wir heute einen Schritt weitergehen. Die Frage des Mitgehen ist geklärt. Sie sind da. Die neue Frage lautet: Was passiert denn, wenn wir mit Jesus auf diesem Weg unterwegs sind? Oder, um es modern zu formulieren: Was macht dieser Weg mit uns? Ja, auch heute begegnen wir Jesus, dem König. Und Johannes macht das in der Schilderung des heutigen Evangeliums ganz deutlich.

Jesus agiert souverän. In der Sprache des Johannesevangeliums: Er handelt in dem Wissen, dass er alles, was der Vater ihm gegeben hat, in seine Hände gelegt hat und dass er von Gott kommt und Gott gehorcht. Er weiß um sich, wer er ist, wo er herkommt und wo er hingeht, um seine Beziehung zum Vater, um seine Macht. Er weiß, dass ihm der Vater alles in die Hände gegeben hat. Aus diesem Wissen und dieser Macht gestaltet er das, was danach passiert, souverän. 

Eine kurze Nebenbemerkung oder besser Anregung für die morgige Liturgie (oder für das persönliche Bibellesen): Hören Sie morgen genau hin, wie oft dieses souveräne Handeln Jesu von Johannes in der Passionsgeschichte besonders betont wird, und wie das, eng mit unserem Text verbunden, sich nochmals im Tod Jesu ausdrückt. Er weiß, dass alles vollbracht ist, er gibt seinen Geist (mit demselben Wort ἔδωκεν). 

Wie aber, in welcher Handlung drückt sich die Souveränität Jesu aus, sein königliches Handeln? Er setzt ein Zeichen, tut den Sklavendienst der Fußwaschung. Petrus, der versteht, dass das eigentlich gar nicht geht, protestiert. „Ich sollte dir die Füße waschen, nicht du mir“. Ein Zeichen, das, so weit sind wir schon, zu seinem besonderen Verständnis von Königtum passt, er kommt eben nicht auf einem gewaltigen Schlachtross daher, sondern auf einem Esel, der demütige König aus dem Hause David. Aber warum? Eine doppelte, und ganz einfache, Antwort aus dem Evangelium: „Wenn ich dir nicht die Füße wasche, hast du keinen Anteil an mir“, sagt Jesus dem protestierenden Petrus. Es geht darum, Anteil an Jesus zu haben. Was das heißt? Im heutigen Evangelium ganz schlicht: „Handelt so wie ich an euch!“, so der Schlusssatz.

Blicken wir auf das weitere Johannesevangelium: Sie wissen vielleicht: Nach der heutigen Szene berichtet Johannes von einer langen Rede Jesu an seine Jünger, bevor er dann zum Ölberg aufbricht – wir hören daraus jedes Jahr ab dem 4. Ostersonntag die Evangelien: Da wird vom Weinstock die Rede sein, an dem wir bleiben sollen wie die Rebzweige, von der Liebe, die uns verbindet, die an ihm Maß nimmt („Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.“), vom Paraklet, dem Hl. Geist, davon dass er in uns wohnt und wir in ihm und so letztlich in Gott wohnen. Also in aller Kürze.

Es geht nicht um ein oberflächliches Nachahmen Jesu, sondern letztlich darum, verwandelt zu werden, in ihn hinein. Sodass wir mit Paulus sagen können: Nicht mehr ich lebe, sondern Christus in mir. Und damit sind wir bei unserer Frage vom Beginn: Ziel des Mitgehens mit ihm ist es, von ihm verwandelt zu werden, Christen zu werden, das heißt, um eine Predigt von Augustinus an Neugetaufte zu zitieren: Christus zu werden. 

Es ist schon erstaunlich, dass Johannes, dem die Zeichen, wie er die Wunder nennt, doch so wichtig sind (die letzten beiden, die Heilung des Blindgeborenen und die Erweckung des Lazarus, haben wir an den letzten beiden Fastensonntagen gehört) gerade das Zeichen der Eucharistie nur in einem Nebensatz erwähnt. Die Wandlung der Gaben von Brot und Wein ist ihm offenbar nicht so wichtig wie das, was dadurch geschehen könnte: Unsere Verwandlung. Denn das ist der Sinn von Ostern, vom Christsein, davon, Jesus nachzufolgen – wie es ein Gebet in der Osterzeit formuliert: Damit das Ostergeheimnis unser ganzes Leben prägt und verwandelt. 

Generalvikar Nikolaus Krasa

Du sollst ein Segen sein!

Dr. Hans PockWir haben Segen empfangen und sind daher verpflichtet, andere zu segnen. Das bedeutet z.B. sich für sie einzusetzen. Das stellte Univ. Prof. Dr. Johann Pock ins Zentrum seiner Predigt in Schönbrunn-Vorpark am 2. Sonntag der Fastenzeit.

Predigt zu: Gen 12,1-4a; Mt 17,1-9


„Du sollst ein Segen sein!“

Das ist mein Primizspruch – und dieser Auftrag, nicht nur Segen zu spenden, sondern selber ein Segen zu sein – er begleitet mich seit langem.

Die aktuellen Entwicklungen um uns herum, in unserer Welt und in unserer Nähe lassen es nicht zu, einfach und nett eine Sonntagspredigt zu halten. Um uns herum sterben Menschen: weil sie verhungern; weil sie in Kriegen sterben; weil sie als Spielball von Mächtigen missbraucht werden.
Und zugleich sind wir alle: Juden, Christen und Muslime, Kinder Abrahams. Denn so erzählt es die Bibel:

Abraham wurde von Gott gesegnet – und er bekam Nachkommen, so zahlreich wie die Sterne am Himmel. Ja, darauf beziehen wir uns auch als Christen: Wir sind Kinder Abrahams. Und doch bringen sich seit Jahrtausenden Menschen um – die sich alle auf denselben Urvater beziehen. Sie verfolgen sich – weil nicht alle gleich sind. Muslime verfolgen andere Muslime – Sunniten die Schiiten und umgekehrt; Christen verfolgten andere Christen; Juden wurden verfolgt – und müssen bis heute Verfolgung aufgrund des Glaubens erdulden.

Zugleich richten wir langsam aber sicher unsere Welt zugrunde – und die Verantwortlichen schaffen es nicht, sich auf kleinste gemeinsame Nenner zu einigen.

Gut – Sie können zu Recht fragen: Aber was können wir da tun? Wie können wir hier, in dieser Pfarre, einen Beitrag leisten in diesen großen Zusammenhängen? Sind wir da nicht hilflos?

Ich glaube nicht. Wir stehen in der Fastenzeit – und wir nennen sie die „Zeit der Umkehr“. Es geht dabei um Veränderung. Keiner von uns kann die ganze Welt verändern. Wir können oft nicht einmal die Menschen neben uns verändern, auch wenn wir wollten. Was aber jeder und jede von uns in der eigenen Hand hat: Ich kann mich selbst ändern. Jeder und jede von uns kann einen kleinen Schritt tun, um diese Welt ein wenig besser zu machen; ein wenig sicherer.

Die Fastenzeit erinnert uns mit den Sonntagstexten an unsere Taufe – und daran, dass wir mit der Taufe Christen geworden sind. So auch das heutige Evangelium. Es ist die Szene von der Verklärung Jesu am Berg. Wie schon am letzten Sonntag, wo es um die Versuchungen Jesu ging, zieht er sich aus dem Trubel zurück. Er geht in die Einsamkeit – diesmal nicht in die Wüste, sondern auf einen Berg. Und er nimmt einige Jünger mit.

Dies ist ein wesentlicher Punkt für christliches Leben: Ab und zu innezuhalten; den Trubel zu verlassen – und zur Ruhe zu kommen. Die beiden Besinnungszeiten (Advent und Fastenzeit) geben uns dazu die Möglichkeit. Oder Zeiten der Exerzitien, des Sich-Einübens in den Glauben.

Und auf diesem Berg erscheinen Jesus Mose und Elia: Und damit erscheinen das Gesetz (in Gestalt des Mose) und die Propheten (in Gestalt des Elia). Jesus steht also inmitten des ganzen Alten Bundes. Er steht auf dem Boden der Tradition. Interessant ist dann auch die Reaktion des Petrus: „Wir wollen 3 Hütten bauen!“ – Er möchte den Augenblick festhalten. – Wie es in Goethes Faust heißt: Zum Augenblick zu sagen: „Verweile doch, du bist so schön!“

Genau das aber geht nicht – wir leben noch nicht im Paradies, in der Vollendung. Unser Leben spielt sich nicht nur auf Höhepunkten ab. Eine große Versuchung ist es immer, etwas festzuhalten, wenn es am schönsten ist – Leben aber kann man nicht festhalten, nicht fixieren – dann wäre es tot. Zugleich leben wir aber von solchen Momenten des Glücks, von Verklärungsmomenten des Lebens.
Und daher geht die Erzählung weiter: Jesus steigt mit den Jüngern wieder ins Tal zurück. Sie können das Erlebte nicht festhalten – aber ihr Leben im Tal ist damit geändert: Die Erfahrung kann ihnen niemand nehmen – ja, sie brauchen sie, um Jesu Kreuz und Sterben verstehen zu können; um im Leid nicht unterzugehen.

Erfahrungen von verklärten Momenten in unserem Leben braucht es, um auch leidvolle Stunden durchtragen zu können. Das Leben ist nicht geradlinig – es geht auf und ab, es gibt schöne und schwere Stunden. Das ist keine Frage von Schuld oder Versagen, sondern es ist menschlich: Wir leben eben in der Vorläufigkeit.

Und vor diesem Hintergrund nochmals zurück zur Situation, in der wir uns befinden: Langjährige Sicherheiten sind in Frage gestellt – und genau deshalb werden auch die Ängste größer: Angst aber ist ein schlechter Ratgeber – und genau das sehen wir angesichts von Migrationen, Kriegen und Coronavirus.

Denken wir bei der heutigen Lesung im Blick auf Abraham daran, dass Gott zu ihm gesagt hat: Mache dich auf; lass alles hinter dir; fange neu an! 

Abraham wird geschildert als heimatloser Aramäer, der sich ganz in die Hände Gottes gibt. Das Einzige, was er mit hat, ist die Verheißung Gottes: „Ich werde dich segnen“. Segen ist gewissermaßen Reisegepäck, das Gott dem Abraham mit auf den Weg gibt.
In der Taufe erhalten wir diesen Segen – die Zusage, dass Gott mit uns unterwegs ist. Der Auftrag der Taufe lautet aber auch: Du, mein Kind, sollst selbst zum Segen werden. Du sollst von mir Zeugnis ablegen; du lebst nicht nur für dich, sondern auch für die Menschen um dich herum.

Ich hatte ursprünglich vor, die Predigt mit dem netten Verweis darauf zu schließen, dass Segen auch bedeutet: Letztlich ist es Gott, der handelt, und wir können uns auf ihn verlassen.

Aber die vielen Bilder von Panik, von Menschen in Not, auf der Flucht; die Bilder, wie Frauen und Kinder grausam in Kriegen und an den Grenzen Europas sterben – sie lassen mich heute nicht nett schließen, sondern mit dem Appell: Christsein heißt auch, sich für diese Menschen, für die Ärmsten, für Menschen in Not einzusetzen. Es braucht das Gebet – aber es braucht auch die gute Tat. Damit wir selbst zum Segen werden können.

Johann Pock

Versuchungen bestehen

Dr. Christoph BenkeUnter Versuchungen verstehen wir heute anderes als die Menschen in vergangenen Zeiten. Wie Jesus seine existentiellen Versuchungen bestand, so müssen auch wir uns bemühen, unseren Versuchungen standzuhalten.

Das stellte Dr. Christoph Benke in seiner Predigt zu Mt 4, 1-11 am 1. Fastensonntag 2023 in Schönbrunn-Vorpark ins Zentrum.


Die zarteste Versuchung? Sie wissen sicher, worin sie besteht. Ja, richtig: Schokolade. Die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt: Fast vierzig Jahre prägte dieser Slogan das Markenbild von Milka. Bis heute ist er fest in den Köpfen der Konsumenten verankert. – Dass Versuchung etwas mit Sünde zu tun hat, weiß dann auch die Diätsünde. In ihr landet, wer zuviel Schokolade isst und das nicht tun sollte.

Meistens wissen wir, was wir tun sollten. Wir kennen das Gute, wir ahnen das Böse. Die Versuchung spielt mit uns, verspricht uns etwas, gaukelt uns ein Trugbild vor. Und häufig geben wir ihr nach.

Heute hörten wir im Wort Gottes von der Versuchung. Die Versuchung des Adam im Paradies steht neben der Versuchung Jesu in der Wüste. Das Paradies der Genesis meint die Welt, wie sie sein könnte, wenn sie die Gebote Gottes befolgen würde. Im Kern geht es um das Vertrauen, dass Gott es gut mit uns meint.

Jesus tut das, was der erste Adam nicht getan hatte: Er traut Gott – ganz. Er entscheidet sich ganz für ihn, bis zur letzten Faser seines Wesens. In dem Augenblick kommen Engel und dienen ihm. Das heißt: In diesem Moment beginnt auf Erden das Paradies.

Doch vorher wird Jesus versucht, nicht zart, sondern brutal und fundamental – wie alle, die Gott dienen. Er wird versucht, nicht dem Plan des Vaters zu dienen, sondern sich selbst; nicht für die Sache Gottes zu leben, sondern für die eigene Sache. Jesus siegt im Kampf. Er vertraut Gott und besteht die Versuchung Israels und des Menschen.

Der Herr schenke uns die Kraft in der Versuchung zum Misstrauen. Er stehe uns bei in den Kämpfen, er stärke unseren Willen zum Guten.

Christoph Benke

Taufe des Herrn – ein Lernprozess

Dr. Christoph BenkeUnser Leben ist in vielerlei Hinsicht ein Lernprozess. Johannes der Täufer machte einen solchen durch; auch wir müssen uns darauf einlassen – egal, wie lange der Lernprozess dauert.

Das stellte Dr. Christoph Benke in seiner Predigt zu Taufe des Herrn Mt 3,13-17 am Sonntag, 08.01.2023 in Schönbrunn-Vorpark ins Zentrum.


„Für mich war das ein Lernprozess!“ Wenn jemand einen Lernprozess erwähnt, steckt etwas dahinter – und meist mehr, als man von einem einzigen nüchternen Wort erwarten dürfte. Wer Schnitzen lernt, will sich eine Fertigkeit erwerben. Das geht nicht in einem Tag. Aber nach dem dreitägigen Schnitzkurs sollte ich ein Werkstück eigenständig bearbeiten können.

Ein Lernprozess dauert meist länger – vor allem, wenn er sich auf des Menschsein bezieht: sich aussprechen, zuhören, warten, genau hinschauen, verlieren können. Es benötigt oft Jahre, diese für das Zusammenleben so elementaren Fähigkeiten einzuüben und zu lernen.

Von einem Lernprozess erzählt die Szene, von der wir vorhin im Evangelium hörten. Der Lernende ist Johannes der Täufer. Wie im Zeitraffer begreift er schnell etwas, wofür wir meist viele Jahre oder ein ganzes Leben brauchen: das Lassen und das Zulassen. Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müsste von dir getauft werden und du kommst zu mir? Jesus antwortete ihm: Lass es nur zu! […] Da gab Johannes nach. (V. 14-15)

Wir Menschen scheuen jede Form von Abhängigkeit. Irgendetwas in uns sträubt sich dagegen, sich die Liebe gefallen zu lassen – in der irrigen Annahme, wir würden dann kleiner. Aber das Gegenteil ist der Fall: Der Lernprozess besteht darin, „geschenkfähig“ zu werden. Ich muss lernen, dass ich mich und mein Leben der Liebe eines anderen verdanke. Das muss ich zulassen. Die Zustimmung, sich von der Liebe Jesu Christi beschenken zu lassen, ist ein bedeutender Umkehrschritt hin zur „Er-Lösung“, d.h. sich von sich selbst lösen zu lassen. Davon spricht Teresa von Avila: „Der Herr sei gepriesen, dass er mich von mir selbst befreit hat!“

Für Johannes war das ein Crash-Kurs. Auf das Wort Jesu hin lernt er das Lassen und das Zulassen. Er möge uns in seine Schule mitnehmen. Unser Lernprozess wird länger dauern. Das macht nichts. Entscheidend ist, dass sich dann der Himmel öffnet.

Christoph Benke