Das Jüngste Gericht wurde von der Kirche oft als Drohgeschichte verwendet. In Wirklichkeit geht es aber darum, wie ich mit den Schwachen in der Gesellschaft umgehe. Das stellte Univ. Prof. Dr. Johann Pock ins Zentrum seiner Predigt in Schönbrunn-Vorpark am Christkönigssonntag, 26.11.2023. Außerdem wies er darauf hin, dass Christkönig bereits ein adventliches Fest ist.
Weltgerichts-Bilder der Vergangenheit
Ich bin in der Kirche in meiner Heimatpfarre groß geworden, mit einem großen Wandfresko (ca. 1750 entstanden) in der Taufkapelle. Es stellt das Weltgericht dar, wie man es sich damals vorstellte, nicht zuletzt aufgrund des heutigen Evangeliums. Und was so einem Kind dabei hängen bleibt, ist dabei nicht der triumphierende Auferstandene, oder die Personen im Himmel – sondern die Darstellung auf Augenhöhe: – und das ist die Hölle, mit vielen Flammen; mit schmerzverzerrten Gesichtern – und mit einem Teufel, der mit einem Rechen die armen Seelen an den Haaren in die Hölle zerrt.
Aus Liebe zu Gott wird man angesichts solcher Bilder und solcher Verkündigung nicht Christ – sondern aus Angst, so zu enden …
Das „Jüngste Gericht“ – es diente der Kirche über viele Jahrhunderte als wichtigstes Motiv in der Verkündigung: Wehe, wenn ihr nicht brav seid als Christen, dann schmort ihr in der Hölle! Wehe, wenn ihr euch nicht rechtzeitig vor dem Tod bekehrt, dann ab in die ewigen Flammen.
Mit solchen und ähnlichen Worten wurden die Menschen bei der Stange gehalten – und so manch einer ist wohl mit tiefsten Ängsten vor dem Sterben durch sein Leben gegangen. – Und umso schlimmer, wenn man am Schluss „unversehens“ gestorben ist – also ohne die damals sogenannte letzte Ölung.
Jüngstes Gericht – die Interpretation Jesu
Doch wie können wir heute davon reden – vom „Jüngsten Gericht“? Schauen wir auf das heutige Evangelium, das Ende des Evangeliums nach Matthäus am Ende des Matthäus-Lesejahres:
Da heißt es: „Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen.“ Dieses Setting wird dann zumeist als Gericht des Königs interpretiert. Und die Erwartung ist, dass er nun seine Gefolgsleute belohnt.
Doch wie so oft überrascht Jesus seine Zuhörer und ihre Erwartungen. Immer wieder nämlich greift er heiße Eisen und bekannte Motive auf – und deutet sie ganz neu:
- So z.B., wenn er sagt: Der Sabbat, der Ruhetag des Herrn, ist für den Menschen da, und nicht der Mensch für den Sabbat.
- Oder bei der Ehebrecherin, die er verurteilen soll, sagt er: Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.
- Aber auch das Verständnis des Königs verändert er: Als Pilatus ihn fragt „also bist du doch ein König“ – sagt er: Ja, aber mein Reich ist nicht von dieser Welt. Er ist kein König mit Schwert und Soldaten; er ist der König, der zugleich der gute Hirte ist. Und ein guter Hirte ist derjenige, dessen Herzensanliegen das Wohl seiner Herde ist.
Und so auch hier: Auch wenn am Schluss von der „gerechten Strafe“ die Rede ist – es wird deutlich, dass da nicht ein gnadenloser Richter sitzt, der Abrechnung hält. Es ist der gute Hirt, der selbst das Beispiel gibt: sich für jene einzusetzen, die am Rande sind.
Kriterium des ewigen Lebens ist ein Leben, das auf die Schwächsten schaut
Somit ist es nicht ein strafender Richter, der da sitzt – sondern einer, der sagt: Liebe Leute, es liegt an euch selbst, wie die Ewigkeit aussehen wird.
Und Jesus überrascht mit seinen Kriterien für ein gelingendes Leben, die sich schon in der Bergpredigt, in den Seligpreisungen finden: Da ist keine Rede vom Fromm sein; keine religiösen Vorschriften, die zum Heil führen. Vor allem auch keine eingehaltenen Reinheitsvorschriften.
Vielmehr sind es karitative Handlungen: Wir nennen all dies heute die „Werke der Barmherzigkeit“. Hungernde speisen, Dürstende tränken; Fremde aufnehmen, Gefangene besuchen – und zwar ohne Ansehen der Person.
Kein Wunder, dass Jesus von religiösen Führern seiner Zeit verfolgt wurde: Er entzog Ihnen letztlich die Macht über die Gläubigen. Denn sie konnten nun nicht mehr bestimmen, wer gottgemäß lebte und wer nicht.
Auch die Kirche hat sich angesichts dieses Evangeliums verändert
Und das ist auch etwas, was in den letzten Jahren in der Kirche geschieht: Unsere Kirche hatte lange Zeit vorgegeben, wie man in den Himmel kommt – und da waren ganz viele religiöse Vorschriften dabei, und ganz wenige soziale. Vor allem hatte die Kirche jahrhundertelang gesagt: Gerettet wird nur, wer in der Kirche ist, wer getauft ist.
Ein Blick auf Mt 25 zeigt aber: Davon redet Jesus nicht. Jeder Mensch, egal welcher Religion, kann gerettet werden – denn jeder Mensch ist Kind Gottes. Und jeder Mensch kann anderen Gutes tun – und darauf kommt es an.
Vor allem aber verändert Jesus auch den Ort der Gottesbegegnung: Konnte man vorher hauptsächlich im Tempel Gott begegnen; oder im Gebet, in der liturgischen Feier – so ist es nun der Nächste, ja sogar der Fremde, in dem Gott zu begegnen ist.
Das steht genau im Hintergrund dessen, was Papst Franziskus der Kirche und den Gläubigen sagt: Versteckt euch nicht innen. Geht hinaus, lebt euer Christsein mitten in der Welt.
Christkönig ist ein adventliches Fest
Wir feiern Christkönig als Abschluss des Kirchenjahres; und zumeist hat der November den Charakter von Gerichtsreden – und der Advent die positiven Bilder des Wartens auf das Kommen des „Christkinds“. Doch beides gehört zusammen: Denn das „Christkind“ und der „Weltenrichter“ sind derselbe. Das adventliche Warten auf das Kommen des Kindes ist auch das Warten auf die Wiederkunft Christi.
Zwei zentrale Botschaften entnehme ich diesem Evangelium für unser Christsein heute:
- Die eine lautet: Gott steht auf der Seite der Schwachen. Und das ist entlastend: Ich darf als Christ auch schwach sein. Ich kann Fehler machen und falle deshalb nicht gleich aus der Liebe Gottes raus. Denn er ist Mensch geworden für uns, um unsere Schwächen zu heilen.
- Die zweite: Das zentrale Kriterium für das Christsein ist nicht eine besondere Leistung, sondern eigentlich nur gutes Menschsein. Und so können wir ohne Angst, sondern mit großer Freude warten auf die Begegnung mit dem, der auch unsere Fehler dereinst zu-Recht-rücken wird.
Johann Pock