Ein etwas anderes Fasten

In der Zeitschrift ‚Neue Stadt‘ habe ich folgenden Text gefunden: ‚Das Potential eines Samens zieht niemand in Zweifel. Befindet er sich am richtigen Platz, mit ausreichend Wasser – keinesfalls zu viel -, ganz ohne Ziehen und Zupfen am ersten Spross, wird aus ihm eine Knospe, die zu gegebener Zeit in voller Blüte steht. Ich glaube fest daran, dass in jeden Menschen ein Samen des Unendlichen gelegt ist, der ihn zu etwas ganz Besonderem macht. Ich freue mich auf die Blüten um mich herum, die mein Leben bunter machen.‘ (Ulrike Comes Nr. 3/2024)

Gerade jetzt, zu Beginn des Frühlings könnten wir darauf verzichten, an anderen herumzuzupfen, und darauf vertrauen, dass Gott mit jeder und jedem etwas Eigenes vorhat und sich dies zum richtigen Zeitpunkt entfaltet. Bilden wir ein Umfeld und einen nährstoffreichen Boden, in dem sich die vielen unterschiedlichen Samen gut entwickeln können.

In Zeiten der gesellschaftlichen Spaltung, des Gegeneinander in verschiedenen Bereichen ist es für uns als glaubende Menschen dringend geboten, uns für ein Miteinander einzusetzen. Erinnern wir uns an die sogenannte goldene Regel, die es in allen Religionen und Weltanschauungen gibt. Beispielhaft: In der Bibel: ‚Alles, was ihr wollt, das euch die Menschen tun, das tut auch ihnen.‘ (Mt 7,12), Im Islam: ‚Keiner von euch kann sich wirklich gläubig erachten, wenn er für seinen Nächsten nicht das Gleiche wünscht wie für sich selbst.‘ (Hadith 13)

Mahatma Gandhi sagte: ‚Du und ich, wir sind eins. Ich kann dir nicht wehtun, ohne mich selbst zu verletzen.‘ Und der Dalai Lama: ‚Eine Voraussetzung für den Frieden ist der Respekt vor dem Anderssein und vor der Vielfältigkeit des Lebens.‘ Es geht nicht um einen undifferenzierten Einheitsbrei, sondern um den Versuch seine eigenen Überzeugungen und Wurzeln zu vertiefen, damit man aufgrund dessen auch mit anderen in Kontakt treten kann. Wenn meine Religiosität nur aus Äußerlichkeiten besteht, dann habe ich Angst vor den anderen. Wenn mein Glaube aber tiefe Wurzeln hat, dann kann ich aufrecht stehen und mit anderen in einen Dialog treten. Versuchen wir in diesen Tagen unsere eigenen Wurzeln zu stärken und dann anderen positiv gegenüberzutreten.

 

1. Fastenimpuls – Übungsweg der Freude

Am 5. März startet mit dem Aschermittwoch die Fastenzeit. Der erste Impuls, wenn wir an diese Zeit denken, ist oft mit: „Ich muss auf etwas verzichten! Ich darf etwas nicht mehr tun!“ verbunden.

Was aber, wenn die „Umkehr“, zu der wir in den biblischen Texten der Fastenzeit aufgerufen werden, eine „Hinkehr zu mehr Leben“ meint? Wäre es dann nicht einen Versuch wert, die kommenden Wochen als einen Übungsweg hin zu mehr Leben, zu mehr Lebensfreude zu gehen? Der häufigste Wunsch zu Ostern lautet: „Frohe Ostern!“. Ich wünsche uns allen, dass wir das heurige Osterfest – trotz der vielen Herausforderungen, die unsere Welt im Moment belasten – mit frohen und freudigen Herzen feiern können!

Dabei geht es nicht um eine kurzzeitige Freude, die sich nach den Feiertagen, wenn der Osterschinken auf der Waage anschlägt und der Alltag wieder anstrengend ist, in Luft auflöst, sondern eine dauerhafte Freude, die in schönen und auch in herausfordernden Zeiten unser Dasein begleitet. Diese Freude ist Ausdruck eines Lebens, das wir mit aller Leidenschaft leben, in dem wir alle unsere Fähigkeiten, die Gott uns geschenkt hat, auch entfalten. Immer, wenn ich ganz im Einklang mit mir und der Welt bin, dann bin ich auch eins mit Gott. So kann man seine religiöse Spur finden, wenn sie einem abhandenkommt. Die Freudenspur führt mich untrüglich zu Gott.

Unser Papst Franziskus ist ein großer Anhänger der Freude. Sein erstes Lehrschreiben heißt sogar „die Freude des Evangeliums“. Er erinnert uns daran, dass Gott selbst von tiefer Freude über uns erfüllt ist: „Der Herr freut sich und jubelt über dich, er erneuert seine Liebe zu dir, er jubelt über dich und frohlockt. (Sach 3,17)“. Und der Papst schreibt: „Das Evangelium, in dem das Kreuz Christi „glorreich“ erstrahlt, lädt mit Nachdruck zur Freude ein“. Nur einige Beispiele:

  • »Chaire – freue dich« ist der Gruß des Engels an Maria (Lk 1,28).
  • Der Besuch Marias bei Elisabet lässt Johannes im Mutterschoß vor Freude hüpfen (vgl. Lk 1,41).
  • In ihrem Lobgesang bekundet Maria: »Mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter« (Lk 1,47).
  • Als Jesus sein öffentliches Wirken beginnt, ruft Johannes aus: »Nun ist diese meine Freude vollkommen« (Joh 3,29).
  • Jesus selber »rief […] vom Heiligen Geist erfüllt, voll Freude aus…« (Lk 10,21).
  • Seine Botschaft ist Quelle der Freude: »Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird« (Joh 15,11).
  • Unsere christliche Freude entspringt der Quelle seines überfließenden Herzens. Er verheißt seinen Jüngern: »Ihr werdet bekümmert sein, aber euer Kummer wird sich in Freude verwandeln« (Joh 16,20), und er beharrt darauf: »Ich werde euch wiedersehen; dann wird euer Herz sich freuen, und niemand nimmt euch eure Freude« (Joh 16,22).
  • Als sie ihn später als Auferstandenen sahen, »freuten« sie sich (Joh 20,20).

„Warum wollen nicht auch wir in diesen Strom der Freude eintreten?“, fragt uns Papst Franziskus. (Evangelii Gaudium 5)

Die Fastenzeit bietet uns dazu eine gute Möglichkeit.

 


Übung

Beten wir zu Gott mit den Worten des Psalms vom Aschermittwoch:

„Gib mir wieder die Freude deines Heiles!“ (Ps 51,14)

Lassen wir die obigen Worte der Evangelien („Evangelium“ heißt übersetzt „Froh-Botschaft“) auf uns wirken, die uns helfen können, eine tiefe Lebensfreude wiederzufinden.


 

Die Auferstehung ist der rote Faden – Predigt

Arthur SchwaigerIn seiner Predigt am 6. Sonntag im Jahreskreis in Schönbrunn-Vorpark ging Diakon Mag. Arthur Schwaiger auf die Spannungen und Widersprüche in unserem Leben ein. Ein roter Faden kann dann hilfreich sein. Das Neue Testament, aber nicht nur dieses, zeigt uns die Auferstehung als roten Faden unseres Glaubens.


  • Wir erfahren in unserem Leben immer wieder, dass wir auf Abwegen/Irrwegen/Unwegen/Umwegen…unterwegs sind.
  • Wir wissen um unsere Spannungen von Ideal und Wirklichkeit.
  • Wir setzen uns immer wieder Widersprüchen aus.

Die Folge ist, dass es dann zu einem Durcheinander in unserem Leben kommt! Zugleich suchen wir Bleibendes und Konstantes. Da taucht dann das Bild vom roten Faden auf. Goethe erklärt dies in seinen „Wahlverwandtschaften“ folgendermaßen:

„Wir hören von einer besonderen Einrichtung der englischen Marine: Sämtliche Tauwerke der königlichen Flotte, vom stärksten bis zum schwächsten, sind dergestalt gesponnen, dass ein roter Faden durch das Ganze durchgeht, den man nicht herauswinden kann, ohne alles aufzulösen, und woran auch die kleinsten Stücke kenntlich sind, dass sie der Krone gehören.“

Diese Tradition besteht seit 1776 in Englands Flotte.

In den NT-Schriften zieht sich – vorbereitet durch die AT-Spätschriften (vgl. z.B. 2 Makk 7) – die Botschaft der Auferstehung durch wie ein roter Faden: Vom ältesten Paulusbrief  –  1 Thess ist noch von der baldigen Wiederkunft Christi überzeugt  –  bis zu unserer heutigen Stelle aus dem 1 Kor  –  das 15. Kapitel handelt das Auferstehungsthema ab  –  bezeichnet der Verfasser den Auferstehungsglauben als das CHRISTLICHE schlechthin. Der ganze Glaube hätte dann keinen Sinn und Nutzen mehr!

Die Evangelien – Mk/Mt/Lk – berichten über die Auferstehung in den Ostererzählungen.

Am Beginn des 2. Jhdts. lässt der Verfasser des Joh-Evangeliums Jesus sagen: Ich bin die Auferstehung! Die Auferstehung wird Person!

Ich lade uns alle ein, dass wir den roten Faden der Auferstehung nicht aus den Augen verlieren, der uns sagt: Der Tod hat nicht das letzte Wort, sondern das Leben, weil auch Christus auferstanden ist!

Gott will dich brauchen – Predigt

Dr. Christoph BenkeAusgehend von der Berufung des Jesaja (Jes 6,1-8) stellte Dr. Christoph Benke in seiner Predigt in Schönbrunn-Vorpark am 5. Sonntag im Jahreskreis (09.02.2025) die Frage, wer und wo Gott ist. Wie reagiert der Mensch, wenn er von und mit Gott konfrontiert wird?


Wer ist Gott? Wo ist Gott? Wo und wie zeigt sich dieses Geheimnis, das wir in unserer religiösen Sprache Gott nennen? Auch Sie, liebe Glaubende, sind fasziniert von dieser Frage! Warum sonst wären Sie hier? Alle erhoffen wir erhoffen uns einen Hinweis, „wo Gott wohnt“.

Manchen ist ein besonderes Erlebnis gegeben – wie Jesaja. Er sieht den Herrn, die Erde ist von der Herrlichkeit des Herrn erfüllt, umgeben von Engeln, die Türzapfen erbeben, Rauch erfüllt den Raum. Jedenfalls bricht etwas ganz Anderes, nicht Alltägliches herein. Es überfordert den Menschen gänzlich. Dazu notiert die Bibel oft zwei Reaktionen vonseiten des Menschen. Die erste: Weh mir! Bricht Gott in das Leben eines Menschen ein, überfordert dies immer seine Kapazität.

Die zweite Reaktion: Weh mir! Denn ein Mann unreiner Lippen bin ich. Der Mensch hat dann das Gefühl: ‚Das passt nicht zusammen. Gott ist Licht, Gott ist gut. Aber in mir ist auch Dunkelheit und Verschlagenheit (Unreinheit); nein, ganz böse bin ich nicht, aber auch nicht einfach gut.‘ Wo man dem Licht und der Liebe begegnet, einem durch und durch gütigen Menschen, dort kann einem das zum Spiegel werden.

Aber das macht nichts. Wer Gottes Berührung zulässt, den reinigt Gott. Denn um seine Herrlichkeit auszubreiten, will Gott den Menschen brauchen: Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen? Ich sagte: Hier bin ich, sende mich!

Es muss keineswegs so spektakulär zugehen wie bei Jesaja. Immer meint Gott den Menschen ganz persönlich und innig. Entscheidend ist, sich Gott zur Verfügung zu stellen und zu fragen: ‚Lieber Gott, offensichtlich willst du mich brauchen. Was kann ich für Dich tun?‘

Fasching: Mit Fröhlichkeit das Dunkel überwinden – ein christliches Projekt?

Auf den ersten Blick ist es vielleicht eine Versuchung: den Ernst des Lebens zu vergessen und einfach in Spaß und Ausgelassenheit einzutauchen. Vielleicht fällt manchen warnend die Feldrede im Lukasevangelium  ein: „Wehe euch, die ihr jetzt lacht, denn ihr werdet klagen und weinen.“ (Lk 6,25b).

Und tatsächlich – es gibt schädliches Lachen: Das andere auslacht, ihrer Würde beraubt, bloßstellt.

Und gleichzeitig gibt es erlöstes und erlösendes Lachen, das aus einer tiefen Freude kommt, die in uns klingt, weil wir zu „Shalom“ (mehr als Frieden – zu Einklang mit Gott und uns selbst) berufen sind. (vgl. Kol 3,15) Und zum Einklang mit uns selbst kann auch das Ausleben von Seiten in uns gehören, die wir sonst gekonnt im Zaum halten – eben das Schlüpfen in Kostüme und närrisches Treiben. Nicht immer und überall – aber eben wo es befreiend und nicht zerstörend ist.

Fröhlichkeit verleiht der Seele Flügel

So sehr, dass Paulus im Galaterbrief unter den 12 Früchten des Heiligen Geistes die Freude nennt. Und Don Bosco formuliert es noch spitzer, vielleicht aus der Erfahrung, wie er mitgeholfen hat, das Leben etlicher verwahrloster Burschen ins Gute zu wenden: „Der Teufel hat Angst vor fröhlichen Menschen.“ Lachen relativiert Macht. Don Bosco war überzeugt: Lachen, das aus Glauben und Liebe entsteht, relativiert sogar die Macht des Dunklen.

So kann Kostüm, Fasching, Humor ein wirklich christliches Projekt werden. Ein heute fast vergessenes Zeichen dafür ist für mich auch, dass sich der berühmte Zirkus Roncalli seinen Namen zu Ehren des Papstes Johannes XXIII gegeben hat, nach seinem bürgerlichen Namen.

Aber natürlich: Es ist wohl nicht jedem gegeben, seinen Glauben genau so zu leben, und auch das ist OK. Nicht umsonst heißt es: „Lacht mit den Lachenden und weint mit den Weinenden“ (Röm 12,15). Auch in diesen Wochen gibt es offenkundig beides. Manche von uns werden hier, manche dort mehr mitgehen können – und hoffentlich hier wie dort ein Stück zum Erheben von Herzen beitragen.

Humor ist wichtig

Wie wichtig Humor – und auch eine gute Portion Selbstironie – auch im geistlichen Leben sein kann, zeigt für mich das Gebet einer alternden Nonne, das manchmal Teresa von Avila zugeschrieben wird. Es war Kardinal König so wichtig, dass er es handschriftlich (!) in sein Brevier eingelegt und in seinen späten Jahren täglich gebetet hat:

Herr du weißt besser als ich selbst, dass ich älter werde und eines Tages alt bin. Bewahre mich vor der unheilvollen Angewohnheit, zu meinen, ich müsse zu allem etwas sagen und das bei jeder Gelegenheit. Befreie mich von dem Verlangen, jedermanns Angelegenheit in Ordnung bringen zu wollen.

Mache mich bedachtsam und nicht schwermütig, hilfsbereit, jedoch nicht herrschsüchtig. Angesichts meines unermesslichen Vorrates an Lebenserfahrung erscheint es bedauerlich, nicht alles zu nützen, aber du weißt, Herr, dass ich ein paar Freunde haben möchte am Ende. Bewahre mich davor, endlose Einzelheiten aufzuzählen; verleihe mir Flügel zur Hauptsache zu kommen.

Versiegle meine Lippen, was meine Schmerzen und Leiden anbelangt. Sie nehmen zu, und die Lust daran, sie aufzuzählen, wird wohltuender mit den Jahren. Um soviel Gnade zu bitten, dass ich an den Erzählungen über die Schmerzen anderer Gefallen finden könnte, wage ich nicht. Hilf mir jedoch, sie in Geduld zu ertragen. Ich wage es nicht, ein besseres Gedächtnis zu erbitten, wohl aber zunehmende Bescheidenheit und abnehmende Selbstsicherheit, wenn meine Erinnerung mit den Erinnerungen anderer in Widerspruch zu stehen scheint.

Führe mich zu der großartigen Erkenntnis, dass ich mich gelegentlich auch irren könnte. Trage Sorge dafür, dass ich einigermaßen liebenswürdig bin; ich möchte keine Heilige sein – mit manchen von ihnen ist es so schwer zu leben –, aber eine sauertöpfische, alte Person ist eines der hervorragenden Werke des Teufels. Schenke mir die Fähigkeit, Gutes zu entdecken an Orten, an denen ich es nicht erwarte und Begabungen in Menschen, denen ich sie nicht zutraue. Und gib mir, oh Herr, die Gnade es ihnen auch zu sagen. Amen.

Licht und Heil(ung)

Die Bedeutung von „Darstellung des Herrn“ und „Blasiussegen“

Ein besonderer Tag

Am 2. Februar feiern wir ein besonderes Fest, weil es ein besonderer Tag ist: 40 Tage nach Weihnachten. Im Lukasevangelium heißt es: „Als die Zeit der Reinigung vorüber war, wie sie Mose im Gesetz nach der Geburt eines Kindes vorschreibt, brachten Joseph und Maria das Kind nach Jerusalem, um es Gott zu weihen.“ (Lk 2,22).

40 Tage. Nicht nur eine symbolisch wichtige, fast magische Zahl (steht für ganz sein, ganz werden, das ganze Leben), sondern eine lebensweltlich genauso wichtige. Auch aus ganz anderen Zusammenhängen wissen wir, dass nach 6–8 Wochen nicht nur im Hirn, sondern auch im Bauchgefühl klar wird, dass ein Zustand kein Ausnahmezustand war, sondern so bleibt (aus der Trauerarbeit, nach dem Einzug in neue Wohnung, etc.).

Aber was bleibt?

Mehr als einfach eine besondere Beziehung von Jesus zu Gott: dass in Jesus wirklich das Licht Gottes leuchtet, und zwar für die ganze Welt (vgl. Lk 2, 31-32). Dass in ihm Gott ganz da ist und uns rettet – nichts anderes heißt sein Name (Jeho-schua à Jesus). Simeon und Hanna, zwei prophetisch begabte Menschen, die fest mit Gott verbunden sind, offen genug und geduldig genug für diese tiefe Begegnung, erkennen das. Und Hanna erzählt allen davon, die sich auch nach Erlösung gesehnt haben.

Welche Bräuche gibt es an dem Tag?

Um dieses bleibende Licht an diesem Tag besonders zu feiern, weihen wir am 2. Februar jene Kerzen, die das Jahr über im Gottesdienst verwendet werden. Nach einer feierlichen Weihe am Anfang der Messe bringen wir sie nach vorne. In vielen Kirchen ist es üblich, dass die Gläubigen symbolisch diese Kerzen spenden – oft werden sie zentral von der Pfarre eingekauft, aber mit einer Spende stellen die Mitfeiernden die Mittel dafür bereit und „übergeben“ sie ihrer Kirche. Dort leuchten sie für alle, die sich nach Erlösung sehnen und zeigen: Hier findet ihr das Licht eures Lebens, Jesus.

Ein weiterer Brauch mischt sich eigentlich vom Folgetag herein. Am 3. Februar ist der Gedenktag des Heiligen Bischofs Blasius. Eine Legende besagt, dass er einem Jungen eine Fischgräte aus dem Rachen gezogen hat und ihn so vor dem Ersticken gerettet hat. Davor hat er zu Jesus gebetet, es möglich zu machen, dass ihm das gelingt. So ist er zum Schutzpatron „gegen Halskrankheiten und andere Krankheiten“ geworden. Von daher gibt es am Schluss der Messen am 2. Februar den Brauch, mit zwei überkreuzten Kerzen einen Einzelsegen zu spenden, den „Blasiussegen“. Wir bitten Jesus auf die Fürsprache des Hl. Blasius uns von allem zu befreien, was uns zum Hals heraushängt, und was uns im Hals stecken bleibt, und uns „Gesundheit, Heilung und Heil“ zu schenken. Wie passend am Tag, an dem wir feiern, dass Jesus – wirklich auf Dauer – unser Retter und unser Licht geworden ist.

Bisschen verwirrend: Verschiedene Namen für dieses Fest – alle mit tiefen Bedeutungen

Weil in diesem Fest dicht konzentriert so vieles drinnen steckt, hat es auch im Lauf der Zeit und in unterschiedlichen Regionen verschiedene Namen bekommen, die auch verschiedene Aspekte betonen.

Heute heißt es offiziell „Darstellung des Herrn“. Dies, um zu betonen, es geht um Jesus, und dass in ihm Gott so sehr da war und ist, dass wir sagen, er war nicht nur ganz Mensch, sondern auch ganz Gott.

Unsere Großeltern kennen es noch als „Lichtmess“ – eben wegen der Kerzenweihe, die uns zeigt, dass wir in Jesus das „Licht, das die Völker erleuchtet“ finden können. Bis 1970 (und im Volksmund manchmal heute noch) wir es „Mariä Lichtmess“ genannt, um zu betonen, dass durch Maria dieses Licht in die Welt und in den Tempel gekommen ist. (Bringen es auch heute oft einfache „Menschen aus dem Volk“/ Frauen/ junge Menschen in die Welt, und wo haben wir offene Augen dafür?)

In der Ostkirche heißt es oft „Begegnung des Herrn“, und auch diesen Namen finde ich schön. Er zeigt uns, dass auch wir – wie Simeon, Hanna und andere Menschen von Anfang an – Jesus begegnen können. Wir können das Licht Gottes für uns und für die ganze Welt in ihm finden. Und das kann uns zu tiefem inneren Frieden führen, wie Simeon – oder dazu, es begeistert allen suchenden und wartenden Menschen weiterzuschenken, wie Hanna. Im Idealfall unser ganzes Leben.

„Glaubst du das?“ – Predigt

Dr. Hans PockWoche der Einheit, 19.1.2025

In seiner Predigt in Schönbrunn-Vorpark griff der Wiener Pastoraltheologe, Univ. Prof. Dr. Johann Pock am 19. Jänner das Motto der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen „Glaubst du das?“ auf. Er ging dabei auf die Bedeutung des Konzils von Nicäa vor 1700 Jahren ein, das verbindlich für alle Christen festhielt, dass Jesus Sohn Gottes ist. Daran schloss er die Frage, was das für uns heute bedeutet, und stellte auch einen Zusammenhang mit dem Dankgottesdienst für Kardinal Schönborn am Vortag her.


„Glaubst du das?“ So lautet die drängende Frage dieser Woche der Einheit – gewählt als Motto von der diesjährigen Vorbereitungsgruppe dieser Gebetswoche. „Glaubst du das?“ – als bedrängende Frage an mich persönlich – aber auch an uns als Glaubensgemeinschaft.

Aber woran glauben wir als Christen eigentlich? Viele Menschen sagen von sich, dass sie schon gläubig sind – aber die sich halt aussuchen, woran sie glauben.

300 Jahre lang war das Christentum nicht offiziell anerkannt, teilweise verfolgt. Mit Kaiser Konstantin wurde es öffentlich. Und es wurde auch sichtbar, dass sich in den 300 Jahren seit Jesu Tod und Auferstehung unterschiedliche Glaubensrichtungen entwickelt hatten, nicht zuletzt zwischen Ost und West, zwischen der römischen, lateinischen Tradition und der östlichen, griechischen Tradition.

Eine zentrale Frage war schon damals: Ist Jesus einfach ein sittliches Vorbild, ein Lehrer der Humanität, eine Figur der Vergangenheit – oder begegnet uns in seiner Person auch heute Gott? Was können wir von diesem „Jesus“ überhaupt glauben?

Der Kaiser und nicht der Papst, also der Bischof von Rom, hat damals das erste Konzil einberufen – und es war im Jahr 325 eine relativ kleine Versammlung von Bischöfen vor allem aus dem Osten des Reiches in dem kleinen Nizäa, in der heutigen Türkei.

Und die Antwort des Konzils lautet: Jesus ist Sohn Gottes. Und dieser Sohn ist „wahrer Gott vom wahren Gott“, „gezeugt, nicht geschaffen“, „eines Wesens mit dem Vater“. So lautet es seither in unserem Glaubensbekenntnis, das alle christlichen Konfessionen eint.

Diese Wendungen klingen heute vielleicht eigenartig. Aber sie verteidigen die Gottheit Jesu Christi gegen jede Relativierung. Der Sohn ist dem Vater nicht untergeordnet, sondern beide sind gleichermaßen Gott.

Damit ist Gott aber kein unberührbares Prinzip irgendwo in den Sphären, irgendein philosophischer Begriff – sondern er ist in sich Beziehung, lebendig. Die biblische Aussage „Gott ist Liebe“ (1 Joh 4,8.16) hat so eine begriffliche Fassung gefunden. Und sie hat in Jesus ein Gesicht, „Hand und Fuß“, Fleisch bekommen, wie wir jährlich zu Weihnachten bekennen.

Das Bekenntnis von Nizäa verbindet Katholiken, Orthodoxe und Protestanten, es ist ökumenisch von höchster Bedeutung.

Und das passt dann auch zum Evangelium dieses Sonntags: Nämlich dem Bericht vom ersten Wunder Jesu, das er gewirkt hat.

„Die Hochzeit von Kana“ – sicher eines der bekanntesten Evangelien und eingegangen in die Populärkultur und in viele Witze und Kabaretts. „Wasser in Wein“ zu verwandeln gilt häufig so als typisch christliche Handlung – nicht zuletzt wegen der Verwendung von Wasser und Wein bei der Messe.

In diesem Evangelium geht es natürlich weniger um die Wunderkraft Jesu, als vielmehr um ein Zeichen, wer dieser Jesus ist. Und es geht dabei um das Glauben-können: Was traue ich diesem Jesus zu? Wofür halte ich ihn?

Es geht in unserem Glauben nicht darum, ob ich an solche Wunder glaube; wohl aber, ob ich glaube, dass dieser Jesus mehr ist als ein weiser Mann; mehr, als ein guter Lehrer oder ein Humanist. Mehr als ein Zauberer.

Es geht um den Glauben daran: Da ist einer, der nicht nur von Gott spricht, sondern der eins ist mit diesem Gott, ja der selber Gott ist. „Wer mich sieht, sieht den Vater“ heißt es an anderer Stelle.

Interessant ist für mich im Evangelium dann, dass dieses Glaubenkönnen sich in einem Tun ausdrücken soll: Maria sagt zu den Jüngern: „Was er euch sagt, das tut!“

Für mich ist das eine tolle Stelle: Immer wieder gibt es vielleicht im Leben Momente, wo der Glaube an Gott infrage gestellt ist. Wo man nicht so einfach sagen kann: Ja, ich glaube. Dort, wo wir liebe Menschen verloren haben; dort, wo es Krankheit und Leid gibt; dort, wo Menschen in aussichtslosen Situationen sind, in Kriegen. Wie kann man da an einen liebenden Gott glauben?

Einen Weg zeigt Maria: „Was er euch sagt, das tut!“ – Trotz einer Glaubenskrise nach dem Wort Jesu handeln.

Unser Erzbischof hat es gestern in der Abschiedsmesse im Stephansdom in freien Worten am Schluss seiner Predigt so benannt: Bei der Frage – ja, wo bist du Gott in allem Leid? – zu sagen: Er ist in unserem „Wohl-Wollen“ – also dort, wo wir es gut mit anderen meinen; wo wir Gutes tun; wo wir auf die Nächstenliebe schauen.

Jesus ist eins mit Gott; er ist wahrer Gott und zugleich wahrer Mensch. Durch ihn ist alles erschaffen, so heißt es im Glaubensbekenntnis – und deshalb können wir auch in den Menschen um uns herum und in der Schöpfung Gott entdecken.

Den Glauben selbst kann einem niemand abnehmen. Glaubst du das? Die Antwort darauf muss jeder und jede selbst finden: im Gebet; in der Liturgie, im Wohlwollen oder Gutes Tun.

Aber als Gemeinschaft können wir uns gegenseitig stützen, vor allem wenn der Glaube unsicher wird. Dazu feiern gemeinsam Gottesdienst. Dazu beten wir gemeinsam auch immer wieder das Glaubensbekenntnis: Um nicht zu vergessen, worauf unser Glaube aufbaut: Auf dem Bekenntnis und den Erfahrungen von Menschen über Jahrtausende hinweg, dass Gott nahe ist; dass er Beziehung und Liebe ist, Vater – Sohn und Geist. Und dass wir ihm begegnen können, auch heute noch.

Weihnachten – und dann?

Ich möchte einige Gedanken mit euch teilen, die mich in diesen Tagen beschäftigen.Johannes Hackl

Vor einiger Zeit haben wir Weihnachten gefeiert; ein Fest, das uns nicht eine Idylle zeigt (diese gab es vor 2000 Jahren und auch später nicht) und das uns nicht zur Nostalgie (Weihnachten, wie es immer bzw. früher war) verleiten will. Weihnachten ist kein Fest der Retrospektive/des Zurückschauens, sondern ein Fest der Perspektive/des Ausblicks (wie es Dr. Christoph Benke am Christtag in seiner Predigt dargestellt hat). Prof. Paul Michael Zulehner hat es in einem Gespräch mit der ‚Furche‘ in der Weihnachtsnummer 2024 so formuliert: Gerade in der angstgetriebenen Welt von heute braucht es ein Gegengewicht von Vertrauen, Hoffnung und Zuversicht. Christinnen und Christen könnten in dieser Hinsicht durchaus ‚Partisanen der Hoffnung‘ sein. Anders gesagt: Hoffnung ist ein Tu-Wort.

Wie kommen wir aus der ausschließlichen Sehnsucht nach Wohlfühlen und Rückzug bzw. aus einer Haltung der Resignation angesichts vieler Krisen unserer Tage heraus und in das Handeln für Hoffnung, Freude, Vertrauen, Zuversicht und Frieden hinein?

Die Wochen nach Weihnachten bieten uns viele Impulse und Anstöße dafür.

  • Der 1. Jänner wird in der katholischen Kirche als Weltfriedenstag begangen. Papst Franziskus hat den Weltfriedenstag 2025 unter das Motto ‚Vergib uns unsere Schuld, schenke uns deinen Frieden‘ gestellt. Natürlich haben die Staaten und die maßgeblichen Politiker und Mächtigen den Auftrag, für den Frieden zu handeln; es ist aber auch die Aufgabe jeder und jedes Einzelnen, im eigenen Umfeld sich für eine gerechtere und friedvollere Welt einzusetzen. Wie spreche ich über andere? Nehme ich meine Nachbarn wahr? Usw.
  • Ich habe zu Weihnachten ein Video erhalten, auf dem eine Amerikanerin, ein Araber, ein Palästinenser, ein Italiener und ein Israeli auf einer Terrasse in Bethlehem jede/r in der eigenen Sprache das Lied vom Trommelbuben singen. Little Drummer Boy („Der kleine Trommler“) ist ein US-amerikanisches Weihnachtslied. Es erzählt die Geschichte eines armen Buben, der es sich nicht leisten kann, dem neugeborenen Jesus ein Geschenk zu machen, und daher mit dem Einverständnis Marias für ihn auf seiner Trommel spielt. Dieses so gesungene Lied: Welch ein Grenzen auflösendes, zukunftsorientiertes Zeichen.
  • Die Sternsingerinnen und Sternsinger bringen die Botschaft des Friedens und der Freude in die Häuser und sammeln für konkrete Projekte zur Verbesserung der Lebenssituation in verschiedenen Teilen der Welt.
  • Am 17. Jänner wird der Tag des Judentums begangen. Er erinnert uns auch daran, dass Jesus, Maria, Josef usw. Juden waren und es bis zu ihrem Tod geblieben sind. Antisemitismus ist mit einer christlichen Lebenseinstellung nicht vereinbar.
  • Von 18. bis 25. Jänner ist die internationale Gebetswoche für die Einheit der Christen unter dem Motto ‚Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben … und deinen Nächsten wie dich selbst‘. Vor 1700 Jahren hat im Jahr 325 das Ökumenische Konzil von Nicäa die gemeinsamen Grundlagen für alle Christen festgelegt; lange vor der Trennung in Ost- und Westkirche im 11. Jahrhundert und den Trennungen im 16. Jahrhundert (Reformation). Papst Franziskus und Patriarch Bartholomäus wollen dessen vor Ort (in der heutigen Türkei) gedenken; es besteht die Hoffnung, dass in diesem Zusammenhang auch ein gemeinsamer Termin für das Osterfest in Zukunft (2025 ist es aufgrund des Kalenders so) gefunden werden kann. Wie stehen wir zur Gemeinschaft aller Christen?
  • Gelingt es uns als engagierte ChristInnen und Christen, weniger über Andersgläubige zu reden, sondern mehr mit ihnen. Dialog bedeutet Brückenbau, ohne die eigenen Grundsätze oder Überzeugungen aufzugeben. Sprechen wir mehr mit unseren muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern und nicht über sie. Dann würde es uns auch leichter fallen, nicht so schnell über ‚den Islam‘ usw. zu reden.
  • Am 22. Jänner wollen wir wieder miteinander im Gottesdienst um 18.00 Uhr Mahl halten. Im Anschluss daran werden wir uns angeleitet von Dr. Christoph Benke mit Hildegard Burjan (1883-1933) auseinandersetzen. Nach Hildegard Burjan ist unsere Pfarre benannt. Mit ihr verbinden wir folgende Stickworte: Sozialpolitische Arbeit, v.a. zugunsten von benachteiligten Frauen; erste christlichsoziale Abgeordnete im Parlament (‚Gewissen des Parlaments‘); Gründerin der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis (CS); verheiratet mit Alexander Burjan, Mutter von Elisabeth (geb. 1910) und Initiatorin der Kirche Neufünfhaus. Sie wurde 2012 im Wiener Stephansdom selig gesprochen und ist seit 2017 Patronin der Pfarre Hildegard Burjan (Rudolfsheim – Neufünfhaus – Schönbrunn-Vorpark). An diesem Abend wollen wir uns auf ihr Denken und ihren spirituellen Weg einlassen.

Eine politische Partei plakatiert derzeit in Niederösterreich mit dem Foto einer Krippe ‚Unser Fest. Unsere Werte‘. Aber: Weihnachten ist nicht ein Fest gegen andere, sondern das Fest der Leidenschaft Gottes für diese Welt, für alle Menschen dieser Welt! Halten wir uns an das, was vor unserer Kirche steht: Mach’s wie Gott, werde Mensch.

Bleiben wir offen, gehen wir auf andere zu und machen wir Angebote – als Einzelne und als Gemeinde – und vertrauen wir auf die göttliche Geistkraft, die uns zugesagt ist und uns begleitet.

‚Der Friede und die Freude der Weihnacht mögen uns bleiben als Segen im ganzen kommenden Jahr.‘ (Irischer Segenswunsch)

Weihnachten ist nicht Retrospektive, sondern Perspektive

Dr. Christoph BenkeÜber die Sehnsucht nach einem Weihnachten, wie es früher war, bzw. Weihnachten wie immer predigte Dr. Christoph Benke beim Hochfest der Geburt des Herrn am Christtag (25.12.) in Schönbrunn-Vorpark.


Unlängst ist mir während des Autofahrens ein Lied von Wolfgang Ambros begegnet. Es trägt den Titel Weihnachten wie immer …. Dort heißt es: I will doss echte Kerzen brennen, / doss echte Lieder gsungen werdn,/ wir Liebe geben, sovül ma kennen,/ und über Bethlehem an Stern./ I will mei Weihnachten wie immer, / wie’s immer wor – soll′s immer sein,/ i will den Glanz i will den Schimmer.

Mit dieser Sehnsucht nach einem Weihnachten, wie’s früher war‘ spricht ‚Wolferl‘ vielen Menschen aus der Seele. Es ist der Wunsch nach weniger Kommerz und Kitsch, nach weniger Keks und Glühwein, nach Reduktion, Innehalten und Besinnung. Weihnachten wie immer berührt etwas in unserem Innersten: die Sehnsucht nach einer heilen Welt, nach einem Ort, an dem Frieden und Lieben herrschen, nach einem Zustand der Geborgenheit und Harmonie. – Könnte es nicht sein, dass sich darin die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies ausspricht und, ja, die Sehnsucht nach der Gegenwart Gottes?

Von diesem Gott erzählt die Heilige Schrift, dass er die Liebe ist (1 Joh 4,16). Und die Heilige Schrift erzählt noch mehr: Diese Liebe ist jetzt unter uns Menschen Fleisch geworden. Sie ist Mensch geworden und wohnt unter uns (Joh 1,14), in dieser wunderbaren und zugleich völlig verrückten und fürchterlichen Welt.

Die Welt nimmt das kaum zur Kenntnis. Und doch ist aus Sicht des Glaubens alles anders geworden. Gott hat sich seiner Welt ausgeliefert und er nimmt sich nicht mehr zurück. Seither hat unser Leben einen Goldgrund, ja: Glanz und Schimmer.

Der Wunsch nach einem Weihnachten wie immer rührt wohl auch daher, dass das Vertrauen in die Zukunft mittlerweile eine geistige und geistliche Herausforderung ist. Die Welt ist in einem schlechten Zustand. Aber Hoffnung ist keine Frage des Temperaments, so als ob sich die Optimisten damit leichter täten. Hoffnung ist eine Frage des Willens und des Glaubens. Nur auf Weihnachten wie immer zu setzen ist ein sentimentales Retro. Christentum ist aber keine Retrospektive, sondern eine Perspektive. Seit Weihnachten, der Fleischwerdung des Wortes, hat sich Gott an diese Welt gebunden. Er nimmt diese Bindung, diesen Bund nicht mehr zurück und führt die Welt und die Menschen heim zu sich. Hoffnung ist also kein Wunschdenken, sondern eine gläubige Perspektive, ist Zuversicht aus dem Glauben. Sie lebt aus dem Staunen über das göttliche Kind.

Ein wehrloses Kind

Dr. Christoph BenkeÜber den Gegensatz von Gewalt und Hass auf der einen und Gewaltlosigkeit und Feindesliebe auf der anderen Seite predigte Dr. Christoph Benke in der Heiligen Nacht in Schönbrunn-Vorpark.


Was ist derzeit das Problem Nr. 1? Was ist der schlimmste der vielen Brennpunkte in der Welt und womöglich auch im eigenen Leben? Im Blick auf das vergangene Jahr legt sich die Antwort nahe: Hass und Gewalt. Krieg im Nahen Osten, in der Ukraine; Gewalt zwischen den Geschlechtern und Generationen, Gewalt gegen Kinder und gegen Alte, Vergewaltigung der Mutter Erde, der Tiere, der Kreatur. Feindbilder sind ganz schnell bei der Hand. Im Nu wird abgestempelt und fertiggemacht. Und dazu eine große, merkwürdige Unzufriedenheit, in einem Land, das funktioniert und zu den reichsten Ländern der Erde zählt.

Gewalt ist seit Kain und Abel das Schattenthema im Fortschritt. Manches wird besser. Verbessert werden aber auch Foltermethoden, Aufrüstung und Kriegführung. Es leitet uns die Angst, zu kurz zu kommen: Von dort kommt das egoistische Verhalten. Die Angst, zu kurz zu kommen, schlägt fast automatisch um in Futterneid, Rivalität, Krieg und Ausbeutung.

Wie aus diesem Dilemma herauskommen? Nach christlicher Überzeugung gibt es nur einen Weg: gewalt- und selbstlos mit anderen vorangehen, mit anderen und für andere. Dieser Weg hat keine Alternative. Er wird an Jesus sichtbar, und zwar schon von Beginn seines Lebens an: Er heißt Fürst des Friedens. Wenn er kommt, wird abgerüstet: Jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, jeder Mantel, im Blut gewälzt, wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers (Jes 9,4-5). Was ist gewaltloser, was ist wehrloser als ein kleines Kind?

Dieses kleine Kind, das Jesus-Baby verkündet bereits eine Botschaft – ohne zu reden. Das Kind ist bereits als Kind die Rettung. Es braucht gar nichts zu sagen. Es ist die Botschaft von der Feindesliebe als einzige Alternative: groß denken vom anderen Menschen, der Menschenwürde Raum schaffen und von den Ego-Interessen absehen zugunsten des Gemeinwohls.

Jesus hat die Gewaltlosigkeit gewählt und sich für die Feindesliebe entschieden. Immer wieder und bis zuletzt blieb er dieser Wahl treu. Heute feiern wird das wehrlose Kind, am Ende seines Lebens steht er da als wehrloses Lamm. Und Gott-Vater wird diese Wahl in der Auferweckung seines Sohnes bestätigen.

Heute feiern wir das wehrlose Kind. Wenn wir es mit seiner Anbetung ernst meinen, können wir dann noch anders als die Hand zu reichen und den ersten Schritt zu tun?