Fronleichnam – Das Wort ist Fleisch geworden
„Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ – so lautet die Botschaft des Johannes-Evangeliums, die wir im Fest Fronleichnam bedenken und feiern.
Einerseits klingen diese Worte unseren Ohren vertraut – „das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ –, oft schon haben wir sie gehört. Andererseits erscheinen sie manchen vielleicht abgehoben und unverständlich: Das Wort wird Fleisch. Was soll das bedeuten?
Beim Nachdenken wurde mir klar: Wenn das Wort Fleisch wird, ist das genau das Gegenteil von abgehoben. Gott wird einer von uns. Er kommt als Mensch auf diese Welt und macht sich für uns angreifbar. Mit Haut und Haar liebt er uns, dieser Jesus von Nazareth, in der Hoffnung, dass wir uns von seiner Liebe anstecken lassen.
Jetzt werden sich manche denken: Ja, damals, vor 2000 Jahren, da hatten es die Menschen leicht. Jesus lebte als Mensch aus Fleisch und Blut unter ihnen. Da konnten sie ihn noch angreifen, ihm Fragen stellen, sich von ihm Gleichnisse erzählen lassen, aber heute? Wie können die Menschen heute Gott begegnen, mit ihm in Berührung kommen?
Ich möchte antworten: Ist nicht genau das unsere Berufung als Christinnen und Christen? Gott in der Welt ein Angesicht zu geben, ihn angreifbar, spürbar, berührbar für unsere Mitmenschen zu machen!?
Aber wir können und müssen das nicht aus eigener Kraft schaffen. Der Schlüssel ist die Eucharistie. Indem wir Gott in der Eucharistie empfangen, kommunizieren wir mit ihm. Er lässt sich von uns verzehren und berührt unser innerstes Menschsein. Gott gibt sich uns zum Genuss und macht uns dadurch für andere genießbar.
Ja, noch mehr: Er macht uns nicht nur für andere genießbar, sondern er, das fleischgewordene Wort, geht uns in Fleisch und Blut über. Er verwandelt uns in den Leib Christi für unsere Mitmenschen, für die Welt! Schon der große Kirchenlehrer Augustinus hat gesagt: „Seid was ihr empfangt und empfangt was ihr seid, Leib Christi!“
Wir empfangen den Leib Christi und sind der Leib Christi in der Welt und für die Welt. Was bedeutet dieser ungeheuerliche Satz konkret?
Es meint nichts Geringeres, als dass Gott durch uns, hier in unserer Stadt, in unserem Bezirk, in unserem Häuserblock wohnt. Und noch konkreter: Wenn dir im Stiegenhaus der Nachbar begegnet, dann geschieht durch dich Gottesbegegnung. Das hört sich unverschämt an? Nein, wir brauchen uns für unsere große Berufung nicht schämen. Gott will durch uns zu den Menschen kommen! Er will durch uns das Angesicht dieser Welt verwandeln!
Denken wir daran:
Gott möchte angreifbar sein. Vor 2000 Jahren ist er den Menschen in Jesus von Nazareth so begegnet, dass sich ihr Leben verwandelt hat. Genauso wie damals möchte er heute den Menschen begegnen. Durch dich, durch mich, ja durch uns alle möchte er dem Nachbarn, der Kassiererin im Supermarkt, dem Straßenkehrer, der Kellnerin, dem Arbeitskollegen begegnen.
Petra Wasserbauer