Brot wegwerfen ist für mich kein Problem …

Wer hat nicht von seiner Großmutter das Gebot mitbekommen: „Brot wirft man nicht weg!“ Brot steht für Lebensmittel. Für die Ernte. Für das, was wir vom Schöpfer bekommen und nicht selber „machen“ können. Am Erntedankfest erinnern wir uns an dieses Geschenk der Schöpfung.

Als Bauernkinder gab es für meine Geschwister und mich keine Ferien im Sinne einer freien Zeit. Wir waren auf dem Feld, bei der Aussaat des Getreides und der Kartoffeln. Im Herbst die Erntezeit. Stress pur. Heute sagen noch die Nachbarn: „Ihr seid als Kinder nie über den Hof gegangen, immer gelaufen.“ Wenn die Wolken Regen brachten, dann schnell, schnell noch eine Fuhre Getreide einholen, noch einen Wagen voll Kartoffeln in die Scheune bringen, sonst ist ein Teil nass, verdorben. Beim schnellen Fahren fiel viel vom Wagen herab, oder die Gerste rieselte durch die undichten Seiten. Dann kam zuhause der Staub des Gebläses, damit die Körner trocken in den Speicher kommen. Eine einzige Plagerei.

Wer auf einem Bauernhof gelebt hat, weiß, dass es dort nicht nur nostalgisch, romantisch zugeht. Knochenharte Arbeit Tag und Nacht und das schmerzhafte Zusehen, wie manches von der Frucht des Feldes verdirbt, verloren geht oder einfach auf dem Feld liegen bleibt. Ein Bauernkind lernt das hautnah kennen, darum versteht es am besten die Großmutter mit dem Appell: „Wirf kein Brot weg“.

Das ist der eine Teil der Geschichte. Der andere beginnt montags um 5 Uhr morgens. Jeden Montagmorgen. Noch lagen wir als Kinder im Bett, da hörten wir schon die aufgehenden Tore des Tierstalles. Der Metzger ist da! Das übliche Abholen von zwei Schweinen. Sie gingen nie freiwillig auf den Autoanhänger. Es war ein Ziehen und Drücken, begleitet vom Kreischen, von der Todesangst. Instinktiv ahnten die Schweine, dass es die letzte Fahrt werde. Zum Schlachthof.

Wir Kinder hatten schon die Geburt dieser Schweine erlebt; sie als Ferkel gepflegt, täglich nachgesehen, ob sie nicht frieren. Manchen hatten wir Namen gegeben. Im Sommer machten wir uns Spaß und ließen sie in den Hühnergarten, wo wir Wettrennen mit ihnen hielten. Zu Weihnachten streuten wir ihnen Salz in den Futtertrog: „damit sie auch merken, dass der Heiland geboren ist“, gab uns Oma den Auftrag dazu. Ehe wir uns versahen, waren sie groß. Als Jugendliche ließ uns Vater dann schätzen, ob sie genug Kilo fürs Schlachten haben. „Da oben auf dem Rücken musst hin greifen, dann spürst, ob es schon genug Fleisch hat.“ Montag morgen 5 Uhr: das Schreien, das Gekreische, das Jammern der Schweine, das war der Wecker für uns Kinder.

Wenn ich heute ein Schnitzel esse, dann weiß ich um das Leben dahinter; es hat für mich gelebt. In vielen Kulturen wird Gott um Vergebung gebeten, bevor das Messer in die Gurgel schneidet. Ich bin kein Vegetarier geworden, aber vorsichtig im Verzehr von Fleisch. Je älter ich werde desto weniger verlange ich danach.

Meiner Großmutter möchte ich antworten: „Oma, wir halten das aus, wenn ein bisschen Getreide verloren ist, auch wenn es schon Brot ist. Das viele Fleisch aber, das so übertrieben auf den Tisch kommt, das so maßlos, so billig angeboten wird, das ist Unrecht!“
Martin Rupprecht