Du sollst ein Segen sein!

Dr. Hans PockWir haben Segen empfangen und sind daher verpflichtet, andere zu segnen. Das bedeutet z.B. sich für sie einzusetzen. Das stellte Univ. Prof. Dr. Johann Pock ins Zentrum seiner Predigt in Schönbrunn-Vorpark am 2. Sonntag der Fastenzeit.

Predigt zu: Gen 12,1-4a; Mt 17,1-9


„Du sollst ein Segen sein!“

Das ist mein Primizspruch – und dieser Auftrag, nicht nur Segen zu spenden, sondern selber ein Segen zu sein – er begleitet mich seit langem.

Die aktuellen Entwicklungen um uns herum, in unserer Welt und in unserer Nähe lassen es nicht zu, einfach und nett eine Sonntagspredigt zu halten. Um uns herum sterben Menschen: weil sie verhungern; weil sie in Kriegen sterben; weil sie als Spielball von Mächtigen missbraucht werden.
Und zugleich sind wir alle: Juden, Christen und Muslime, Kinder Abrahams. Denn so erzählt es die Bibel:

Abraham wurde von Gott gesegnet – und er bekam Nachkommen, so zahlreich wie die Sterne am Himmel. Ja, darauf beziehen wir uns auch als Christen: Wir sind Kinder Abrahams. Und doch bringen sich seit Jahrtausenden Menschen um – die sich alle auf denselben Urvater beziehen. Sie verfolgen sich – weil nicht alle gleich sind. Muslime verfolgen andere Muslime – Sunniten die Schiiten und umgekehrt; Christen verfolgten andere Christen; Juden wurden verfolgt – und müssen bis heute Verfolgung aufgrund des Glaubens erdulden.

Zugleich richten wir langsam aber sicher unsere Welt zugrunde – und die Verantwortlichen schaffen es nicht, sich auf kleinste gemeinsame Nenner zu einigen.

Gut – Sie können zu Recht fragen: Aber was können wir da tun? Wie können wir hier, in dieser Pfarre, einen Beitrag leisten in diesen großen Zusammenhängen? Sind wir da nicht hilflos?

Ich glaube nicht. Wir stehen in der Fastenzeit – und wir nennen sie die „Zeit der Umkehr“. Es geht dabei um Veränderung. Keiner von uns kann die ganze Welt verändern. Wir können oft nicht einmal die Menschen neben uns verändern, auch wenn wir wollten. Was aber jeder und jede von uns in der eigenen Hand hat: Ich kann mich selbst ändern. Jeder und jede von uns kann einen kleinen Schritt tun, um diese Welt ein wenig besser zu machen; ein wenig sicherer.

Die Fastenzeit erinnert uns mit den Sonntagstexten an unsere Taufe – und daran, dass wir mit der Taufe Christen geworden sind. So auch das heutige Evangelium. Es ist die Szene von der Verklärung Jesu am Berg. Wie schon am letzten Sonntag, wo es um die Versuchungen Jesu ging, zieht er sich aus dem Trubel zurück. Er geht in die Einsamkeit – diesmal nicht in die Wüste, sondern auf einen Berg. Und er nimmt einige Jünger mit.

Dies ist ein wesentlicher Punkt für christliches Leben: Ab und zu innezuhalten; den Trubel zu verlassen – und zur Ruhe zu kommen. Die beiden Besinnungszeiten (Advent und Fastenzeit) geben uns dazu die Möglichkeit. Oder Zeiten der Exerzitien, des Sich-Einübens in den Glauben.

Und auf diesem Berg erscheinen Jesus Mose und Elia: Und damit erscheinen das Gesetz (in Gestalt des Mose) und die Propheten (in Gestalt des Elia). Jesus steht also inmitten des ganzen Alten Bundes. Er steht auf dem Boden der Tradition. Interessant ist dann auch die Reaktion des Petrus: „Wir wollen 3 Hütten bauen!“ – Er möchte den Augenblick festhalten. – Wie es in Goethes Faust heißt: Zum Augenblick zu sagen: „Verweile doch, du bist so schön!“

Genau das aber geht nicht – wir leben noch nicht im Paradies, in der Vollendung. Unser Leben spielt sich nicht nur auf Höhepunkten ab. Eine große Versuchung ist es immer, etwas festzuhalten, wenn es am schönsten ist – Leben aber kann man nicht festhalten, nicht fixieren – dann wäre es tot. Zugleich leben wir aber von solchen Momenten des Glücks, von Verklärungsmomenten des Lebens.
Und daher geht die Erzählung weiter: Jesus steigt mit den Jüngern wieder ins Tal zurück. Sie können das Erlebte nicht festhalten – aber ihr Leben im Tal ist damit geändert: Die Erfahrung kann ihnen niemand nehmen – ja, sie brauchen sie, um Jesu Kreuz und Sterben verstehen zu können; um im Leid nicht unterzugehen.

Erfahrungen von verklärten Momenten in unserem Leben braucht es, um auch leidvolle Stunden durchtragen zu können. Das Leben ist nicht geradlinig – es geht auf und ab, es gibt schöne und schwere Stunden. Das ist keine Frage von Schuld oder Versagen, sondern es ist menschlich: Wir leben eben in der Vorläufigkeit.

Und vor diesem Hintergrund nochmals zurück zur Situation, in der wir uns befinden: Langjährige Sicherheiten sind in Frage gestellt – und genau deshalb werden auch die Ängste größer: Angst aber ist ein schlechter Ratgeber – und genau das sehen wir angesichts von Migrationen, Kriegen und Coronavirus.

Denken wir bei der heutigen Lesung im Blick auf Abraham daran, dass Gott zu ihm gesagt hat: Mache dich auf; lass alles hinter dir; fange neu an! 

Abraham wird geschildert als heimatloser Aramäer, der sich ganz in die Hände Gottes gibt. Das Einzige, was er mit hat, ist die Verheißung Gottes: „Ich werde dich segnen“. Segen ist gewissermaßen Reisegepäck, das Gott dem Abraham mit auf den Weg gibt.
In der Taufe erhalten wir diesen Segen – die Zusage, dass Gott mit uns unterwegs ist. Der Auftrag der Taufe lautet aber auch: Du, mein Kind, sollst selbst zum Segen werden. Du sollst von mir Zeugnis ablegen; du lebst nicht nur für dich, sondern auch für die Menschen um dich herum.

Ich hatte ursprünglich vor, die Predigt mit dem netten Verweis darauf zu schließen, dass Segen auch bedeutet: Letztlich ist es Gott, der handelt, und wir können uns auf ihn verlassen.

Aber die vielen Bilder von Panik, von Menschen in Not, auf der Flucht; die Bilder, wie Frauen und Kinder grausam in Kriegen und an den Grenzen Europas sterben – sie lassen mich heute nicht nett schließen, sondern mit dem Appell: Christsein heißt auch, sich für diese Menschen, für die Ärmsten, für Menschen in Not einzusetzen. Es braucht das Gebet – aber es braucht auch die gute Tat. Damit wir selbst zum Segen werden können.

Johann Pock